Kleine Enzyklopädie des Enzyklopädischen; alphabetisch


           
    Alphabetische Ordnung


 

Aufgrund einer Sprachmagie gibt uns das Alphabet die Vorstellung des Allumfassenden: Was von A bis Z (von alpha bis omega) reicht, ist komplett; und Enzyklopdien wollen ja allumfassend sein. – Vor- und Nachteile der systematischen / alphabetischen Ordnung.

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    Bücher besitzen und nicht darin lesen   Darüber spottet bereits Petrarca. Bei Sebastian BRANT (Narrenschiff, 1494, 1. Kapitel) sagt der Narr: »Von büechern hab ich grossen hort | Verstand doch drynn gar wenig wort …« (Der ganze Text in der Bibliotheca Augustana [www])

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    Dewey Decimal System



 

DDC meint hier nicht die Abkürzung für »Deutscher Dalmatiner Club«. Melvil DEWEY (1851–1931), »A Classification and Subject Index for Cataloguing and Arranging the Books and Pamphlets of a Library«, Amherst, Mass. 1876, benützte eine typographisch leicht zu realisierende Form zur Darstellung einer Taxonomischen Ordnung, die Dezimalklassifikation. Kostproben des DDC im Web [www]. Das System bis zur dritten Dezimalstelle hier [www].

Dewey ist nicht der einzige. 1888 hat Otto HARTWIG ein »Schema des Realkatalogs [www Canadian Libraries] Realkatalogs der Königlichen Universitätsbibliothek Halle« entworfen, der die Welt anders gliedert.

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    Frage als Ausgangspunkt des Konsultationsvorgangs   »Die Fähigkeit, eine kluge Frage zu stellen, ist schon halbes Wissen. — At prudens Interrogatio quasi dimidium scientiæ.« Francis BACON, De dignitate et Augmentis Scientiarum (1623), V, 3

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    Grangerisieren





 

Nach Rev. James GRANGER (1723–1776, Verfasser einer »Biographical History of England«) genannt; Granger regte an, nicht illustrierten Büchern nachträglich passende Zeichnungen, Holzschnitte u.a. beizufügen. Leaf Books [www] "to grangerize": to augment the illustrative content of (a book) by inserting additional prints, drawings, engravings, etc., not included in the original volume. Die Technik wird den einen Büchern schaden – andere werden so allmählich immer besser.

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    Halbwertszeit des Wissens






  ... scheint sehr, sehr lang zu sein, wenn man den Prospekt zur neuen Buchausgabe des Brockhaus liest: »Die neue, 21. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie vereint objektives und gesichertes Wissen in gewohnter Brockhaus-Qualität mit perfekter buchbinderischer Handwerkskunst. […] Das Wissen der Welt, sorgfältig recherchiert und kompetent aufbereitet, erhält mit hochwertigem Papier, edlem Einband, Fadenheftung und Brockhaus-Goldschnitt die perfekte äußere Form. […] Das Papier weist eine angenehme Textur auf und erlaubt einen ausgesprochen brillanten Druck, es bietet außerdem höchste Alterungsfähigkeit […]«  
           
    Kunstkammer


 

Die Kunstkammer Peters des Großen [www]

Kunst- und Wunderkammern [www], zusammengestellt von Peter Huber, Wiener Neustadt

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    Lemma-Falle




 

Die Worte liegen uns im Wege! – Überall, wo die Uralten ein Wort hinstellten, da glaubten sie eine Entdeckung gemacht zu haben. Wie anders stand es in Wahrheit! – sie hatten an ein Problem gerührt und indem sie wähnten, es gelöst zu haben, hatten sie ein Hemmniss der Lösung geschaffen. – Jetzt muss man bei jeder Erkenntniss über steinharte verewigte Worte stolpern, und wird dabei eher ein Bein brechen, als ein Wort. (Nietzsche, »Morgenröthe« I, 47)

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    Lexikon   »Leck-sie-konn« (Arno Schmidt, wer sonst?)  
           
    Lydia   Groucho Marx singt in »At the Circus« das hinreissende Lied von der enzyklopädisch tätowierten Lydia, dessen Text sich mehrfach im Internet findet: hier – und dann hat ein Fan die Szene bei YouTube eingestellt: hier (7.7.10)  
           
    Mammut, das halblederne, im bürgerlichen Wohnzimmer   Bartens, Werner / Halter, Martin / Walther, Rudolf: Letztes Lexikon. Mit einem Essay zur Epoche der Enzyklopädien. Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3821845120 Besprechungen [www; Perlentaucher]  
           
    Nominal- oder Realdefinition?









 

Wir können zwar sinnvoll fragen »Reiten wir das Wort ›Elefant‹ oder das Tier?« und ebenso sinnvoll fragen »Schreiben wir das Wort oder das Tier?«, aber es ist Unsinn zu fragen: »Definieren wir das Wort oder das Tier?« Einen Elefanten definieren […] ist nämlich die gedrängte Beschreibung einer Operation, bei der sowohl Wort als auch Tier ins Spiel kommen. (Stellen wir das Fernrohr auf das Bild oder auf das Kriegsschiff ein?); und so ist auch das Sprechen über »die Tatsache dass« eine gedrängte Art und Weise, über eine Situation zu reden, die sowohl die Wörter als auch die Welt involviert. (John L. Austin, Truth, in: Philsoophical papers, ed. Urmson & Warnock, Oxford 1979; übers. J. Schulte, RUB 8278, Stuttgart 1986, S. 162)

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    Okopenko   Andreas Okopenko, Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen in Druden. Roman, Salzburg: Residenz-Verlag 1970; 292 S. spätere Auflagen: Frankfurt a. M. / Berlin / Wien: Ullstein 1983; Wien: Deuticke 1996.
Als Hypertext auf CD-ROM erschienen.

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    Points de capitons




 

Lacan nennt (partielle) Fixierungen von Signifiant/Signifié, welche in einer Kulturgemeinschaft – im Gegensatz zum psychotischen Diskurs, der keine Fixiertheit von Bedeutung kennt – eine Verständigung möglich machen: »points de capiton« (Stepp-Punkte, die Metapher ist wohl vom Sofa-Kissen hergenommen). – sind nicht die Lemmata, die uns bei der Suche nach dem Wissen führen auch so etwas?

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    Querverweise





 

Sie dienen dazu, das was durch die alphabetische Ordnung versprengt wurde (z.B. Krieg und Frieden) oder unglücklicherweise nebeneinander zu stehen kam (z.B. Kolibri und Kolibakterien), doch irgendie noch systematisch zusammenzubehalten.

Diderot wollte angeblich durch in die Irre führenden Querverweise (›les renvois‹) die Leser der Encyclopédie irritieren (détromper).

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    Reise-Lexikon  

Im übrigen hat man das Format also eingerichtet, daß es die Reisenden bequem bey sich führen, und entweder sich daraus Rathes erholen, oder bey einem oder dem andern Orte hineinzeichnen können, was sie merckwürdig zu seyn erachten. (Hübner im Vorbericht zum »Reale, Staats- und Zeitungs-Lexicon« 1704)

 
           
    Serendipity-Effekt






 

Wem ist das nicht schon passiert: Man sucht in einem Lexikon etwas Bestimmtes, folgt den Querverweisen und immer weiter, bis man nicht mehr weiss, was man gesucht hat, aber etwas findet, das viel wertvoller ist… Horace WALPOLE (1717–1797) hat den Begriff »Serendipity« in Anlehnung an ein persisches Märchen mit dem englischen Titel »The Three Princes of Serendip« geprägt, in welchem die Protagonisten unerwartete Entdeckungen machen. Artikel in Wikipedia [www] WebSite von R.Boyle [www. ©2000] Robert K. Merton & Elinor Barber, The Travels and Adventures of Serendipity. A Study in Sociological Semantics and the Sociology of Science, Princeton University Press 2004.

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    Tlön  

Tlön, Uqbar, Orbis Tertius ist eine Erzählung von Jorge Luis BORGES. Sie führt in die Diskussion von ›Nihilartikeln‹, Wolpertingern, Fakes. – Eine schöne (auch historisch geordnete) Sammlung ist das »Museum of Hoaxes« von Alex Boese. – Ein Beispiel: Appleton’s Cyclopædia of American Biography (1887 / 1889) enthält ca. 200 Biographien fiktiver Personen. – Vgl. auch: Heinrich Zankl, Irrwitziges aus der Wissenschaft. Von Leuchtkaninchen bis Dunkelbirnen. Wiley-VCH, Weinheim 2008.

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    Unwissen


  Kathrin Passig / Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens. Worauf es bisher keine Antwort gibt. Rowohlt Berlin, 2007.
»Das Lexikon des Unwissens ist das erste Buch, nach dessen Lektüre man weniger weiß als zuvor.«

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    Vergessen   Zu Themistokles kam ein Mann von hoher Gelehrsamkeit, der ihn versprach in die Mnemotechnik einzuweihen; diese Technik bewirke, dass alles im Gedächtnis bleibe. "Da habe ihm Themistokles geantwortet, er würde ihm einen größeren Gefallen tun, wenn er ihn lehre zu vergessen, was er wolle, statt es zu behalten." (dicitur) et Themistoclem respondisse gratius sibi illum esse facturum, si se oblivisci quae vellet quam si memenisse docuisset. (CICERO, de oratore II, 299)  
           
    Wissens-Lücke







 

Kann man überhaupt formulieren »Ich weiss nicht, dass XYZ«? – Es gibt Lücken, die duch die Differenz des gesellschaftlichen und des individuellen Wissens entdeckt werden; problemlos durch Lernen zu füllen. – Es gibt Lücken, deren Ränder sich mindestens bestimmen lassen: (an einem historischen Bsp.:) vor Ampère wusste man nicht, dass ein vom Strom durchflossener Leiter eine Magnetnadel ablenkt. – Es gibt Lücken, deren Lückenhaftigkeit genau bekannt ist, aber nicht beseitigt werden kann: die Ansicht von der Rückseite des Monds vor der Raumfahrt. – Es gibt strukturelle Lücken: Menschen sind blind für das UV-Licht. – Und es gibt Lücken, die paradoxerweise infolge der enzyklopädischen Vielwisserei nicht erkannt werden.

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    Yahoo!   Yet Another Hierarchic Officious Oracle! zum Alphabet  
           
    Zettel













 

1775 wurde Abbé François Rozier beauftragt, ein Register der Bibliothèque Royale zu erstellen; 1791 Gaspard-Michel Le Blond eines von ganz Frankreich. Damit die Aufnahmen der verschiedenen Bibliotheken dann in Paris zusammengetragen werden konnten, bediente man sich normaler Spielkarten (cartes à jouer), die mehr oder weniger genormt und auf der Hinterseite leer waren. Vgl. Markus Krajewski, Zettelwirtschaft 2002.

Eine Entwicklung des 20. Jh. sind die Randlochkarten (punched cards). Die Karteikarten hatten am Rand eine Perforation, die man nach geeigneten Kategorien aufschneiden konnte. Wenn man mehrere Stricknadeln bei den Löchern durch den Kartenpacken steckte und sie nach oben zog, kamen nur die mit intaktem Loch mit, und es blieben die ausgeknipsten Karten unten im Kasten. Also: boolsche Schnittmenge. Douglas Jones (Univ. Iowa) [www]

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    Ø Æ ∑ £  

… ja eben, was wäre, wenn unser All-Phabet weniger mehr oder andere Zeichen hätte? Und wie ordnen die alten Ägypter, die Chinesen und Japaner ihre Enzyklopädien? ????

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update: PMichel, Mai 2010