Figuren-Typen in Visualisierungen

     
 

Figuren-Typen in Visualisierungen – Einleitung

Sehr oft sind auf wissensvermittelnden Bildern menschliche Figuren dargestellt, die – obwohl sie alle wie Menschen aussehen – bei genauerem Hinschauen ganz verschiedene Genealogien haben. Die folgende, nach Realitätsgraden in einer ›Verdünnungsreihe‹ angeordnete Liste möchte mehr Trennschärfe bringen.

(O) und (T) beziehen sich auf das VisWis-Projekt.

Bei den (O)bjekttypen lässt sich oft nur aufgrund des zeitgenössischen kulturellen Hintergrunds sagen, ob eine Person als historisch-konkret oder als fiktional gemeint ist (z.B. bei Mercur; hl. Katharina).

Die bildliche Vergegenwärtigung einer Person oder eines Personentyps kann verschiedene (F)unktionen haben.

Die (T)ransformationstechniken können sich überlagern.

Der Betrachter des Bilds muss je nach Bildtyp verschiedene Vorkenntnisse mitbringen, teils allgemein-anthropologische, teils kulturspezifische, i.e.S. historische, teils die Technik der Visualisierung betreffende. Diese Kategorie wird gelegentlich mit (H) (für Hintergrundswissen) markiert.

Man könnte diese Galerie auch nach folgenden Kriterien ordnen:

  • Darstellungen von Personen als Personen
  • Darstellungen von Personen als Nichtpersonen (z.B. als Tiere)
  • Darstellungen von Nichtpersonen als Personen (Allegorie)
  • Nachahmung von Personendarstellungen für Phantasiepersonen

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Typ: Portrait (Übersicht)

(O)bjekt: eine historisch-konkrete Person

(T)echnik: mimetisch realisiertes Portrait

(F)unktionen

I – Bei Grabstatuen geht es darum, einer bestimmte Person zu gedenken: Plinius schreibt (naturalis historia XXXV,11): Meiner Ansicht nach gibt es keinen größeren Beweis von Glückseligkeit, als wenn alle stets zu erfahren trachten, wie jemand ausgesehen hat. Eine große Rolle spielt hier die Erinnerung an die Tüchtigkeit der Ahnen.

II – Herrscher wollen durch Anbringung ihres Portraits Präsenz markieren (Repräsentationsbild). In jeder Amtsstube soll ein Bild des Kaisers oder Führers hängen.

III – Ein wichtiger Anstoß ist der Renaissance-Kult der uomini famosi. Es geht darum, eine bestimmte Persönlichkeit, die man sich im veristischen Bildnis vergegenwärtigt, in der Einmaligkeit ihrer intellektuellen Leistung zu ehren. – Paolo Giovio (1483–1552) hat in seinem Museo eine berühmte (nicht erhaltene) Sammlung von Portraits von Staatsmännern und Heerführern, Dichtern und Gelehrten mit selbstgedichteten Lobreden zusammengetragen. Erst 1575 / 1577 erscheint die mit Holzschnitten illustrierte Ausgabe der »Elogia virorum litteris illustrium«.

IV – Portraits dienen der Identifikation von Personen, z.B. in Steckbriefen, Pässen.

V – Das Portrait steht anstelle der Person, derer man nicht habhaft werden kann; die Person kann dann auch ›in effigie‹ hingerichtet werden.

VI – Am Portrait werden aufgrund einer Theorie (z.B. Phrenologie) Charakterzüge der Person abgelesen.

Literaturhinweis: Adolf Reinle, Das stellvertretende Bildnis. Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Zürich / München: Artemis 1984.

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Portrait I

(F) Andenken, Gedächtnis

Beispiel: Tilman Riemenschneider (1499–1513), Grabmal für Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde; Bamberg, Dom Sankt Peter und Georg / Grabmal der Hegeso (ca. 430/420 BCE)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6.Auflage, Achter Band (1908), Tafel »Grabmäler«

Literaturhinweis: Erwin Panofsky, Grabplastik. Vier Vorlesungen über ihren Bedeutungswandel von Alt-Ägypten bis Bernini, hg. von Horst W. Janson, Köln: DuMont 1993.

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Portrait II

(F) Repräsentation und Präsenz

Beispiel: Die Stadt São Salvador da Baía de Todos os Santos in Brasilien wurde 1549 gegründet, 1624 bis 1625 wurde sie von den Holländern kurzzeitig besetzt, dann von den Portugiesen zurückerobert. Rechts im Bild erkennt man, wie die Dankbaren dem BILD König Philipps IV. huldigen.

Fray Juan Bautista Maíno, Recuperación de Bahía, 1634/1635 (Museo Nacional del Prado)

Quelle (in guter Qualität): Wikimedia [www]

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Portrait III

(F) Einmaligkeit einer geschätzten Person ehren

Beispiel: Galvani beim Experiment mit den Froschschenkeln

Quelle: Louis Figuier, Les Merveilles de la Science ou description populaire des inventions modernes, T. I, Paris: Furne, Jouvet et Cie. [1870].

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Portrait IV

(F) Identifikation

Steckbrief: Richard Wagner hatte nach dem Dresdner Maiaufstand 1859 in Zürich Asyl gefunden, wurde als politischer Flüchtling noch 1853 steckbrieflich gesucht.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kunst_und_die_Revolution <11.1.2013>

Literaturhinweis: Valentin Groebner, Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Mittelalter, München: Beck 2004

Zur Herstellung eines Steckbrief-Portraits aufgrund von Zeugenaussagen dient das sog. Phantombild (vgl. engl. facial composite, digital physiognomy, identikit picture, frz. portrait-robot). Als erkennungsdienstliche Methode 1952 von Roger Dambron mit fotografischen Mitteln entwickelt.

Max Weiß, Die Polizeischule, 2. Auflage Dresden 1919; Abb. 18: Die Beschreibung der Person.

Heutzutage macht man das am Computerbildschirm, und es gibt Programme zum Zusammenstellen eines Gesichts, z.B. http://www.facette.de/home.html oder http://www.ctapt.de/flashface/index.php <letzter Zugriff März 2015>

Mit Flashface selbst generiertes Phantasiebild.

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Portrait V

(F) Bild steht anstelle der Person; ›in effigie‹

Beispiel: Schmähbrief des Bernhard Wauer gegen Johan Breyde vom 11.4.1464 (Köln, Historisches Archiv; zitiert bei Reinle S.319). Die Funktion ist hier nicht, die erfolgte Hinrichtung abzubilden, sondern die Forderung zu erheben, J. Breyde möge hingerichtet werden.

Quelle: http://www.giselmut.de/strafen.htm <7.11.09>

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Portrait VI

Die Physiognomie versucht, von den Gesichtszügen auf die Charaktereigenschaften des Menschen zu schließen. Ein zentrales Werk hierüber ist das 1586 erschienene Buch »De humana physiognomia« von Giambattista Della Porta (1535–1615). Digitalisat [www archive.org]

Franz Joseph Gall (1758–1828) postulierte einen Zusammenhang zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben andererseits. Mehr hierzu hier.

Quelle: Walter Möller, Angewandte Menschenkenntnis, Einführung in die Handschriften-, Gesichtsausdrucks- und Schädelkunde, [1916], 4. Auflage Berlin/Oranienburg, [1927]

Literaturhinweis: Claudia Schmölders, Das Vorurteil im Leibe. Eine Einführung in die Physiognomik, Berlin 1995.

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Typ: Karikatur

(O)bjekt: eine historisch-konkrete Person

(T)echnik: übertriebenes mimetisches Portrait

(F)unktion: meist Verspottung

(H) Das Portrait des Karikierten muss bekannt sein.

Beispiel: Jacques Offenbach (1819–1880) hatte 1858 mit seiner Operette »Orphée aux enfers« in Paris großen Erfolg. Der Clou an der Karikatur liegt darin, dass der Komponist selbst als Sänger Orpheus mit der Harfe dargestellt ist – daneben hat Offenbach auch die Gesichtszüge, die man aus zeitgenössischen antisemitischen Karikaturen kennt, was wir heute weniger goutieren.

     

Quellen:

Portrait: um 1860 aus Wikipedia

Karikatur aus dem »Journal pour rire«; hier wiedergegeben nach: Karl Storck, Musik und Musiker in Karikatur und Satire. Eine Kulturgeschichte der Musik aus dem Zerrspiegel, Oldenburg: Stalling 1910, Abb. 176.

Die Karikaturen vor ca. 1780 zeigten allgemeinmenschliche Typen mit ins Tierische verformten Gesichtern (z. B. der Knausrige) oder sie veräppelten Modetorheiten (aufgetürmte Frisuren); Personen der hohen Politik waren an Attributen erkennbar (der Papst trägt die Tiara) oder dann wurde der Name absichtlich falsch metaphorisch verstanden (der Papst Leo wurde als Löwe dargestellt). Die Physiognomien der gemeinten Personen waren ja nicht durch Massenmedien bekannt. Eine Ausnahme bildet Martin Luther, der immer wieder porträtiert wurde.

Erst zur Zeit Napoleons setzen sich übertrieben gezeichnete Gesichtszüge als Mittel der Karikatur durch (sog. personale Individualkarikatur, vgl. ital. caricatura ›Übertreibung‹).

Der Witz besteht darin, eine physiognomisch gut erkennbare Person in einer verfänglichen Situation zu zeigen oder sie in eine Allegorie einzubinden (›der Dompteur und die Raubtiere‹, ›souffleur‹, ›His masters voice‹) oder ihr eine idiomatische Redewendung unterzuschieben (›sitzt im Glashaus und wirft mit Steinen‹, ›Balance-Akt und aus dem Gleichgewicht geraten‹, ›Steigbügelhalter‹); man kann das Portrait auch auf einen Tierleib setzen und die Person so charakterisieren (so die antisemitischen Karikaturen von ›Victor Lenepveu‹ [www]). Obendrein kann noch der Spott über die Gesichtszüge kommen – früher gelegentlich als scherzhaftes Hänseln eines Langnasigen, dann immer mehr infam und mit dem Beigeschmack des magischen Bildzaubers.

Frühe Karikaturen gibt es von William Pitt d.J. (1759–1806); vgl. James Gillray hier [www Wikipedia]

Weitere Hinweise:

Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, hg. von Gerhard Langemeyer, Gerd Unverfehrt, Herwig Guratzsch und Christoph Stölzl, München: Prestel 1984.

Great Caricatures [www]

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Typ: Titulus-Beigabe zur Identifikation

(O)bjekt: eine historisch-konkrete Person, deren Aussehen unbekannt ist

(T)echnik Beigabe eines Titulus zwecks Identifikation der Person

(H) Betrachter muss lesen können.

Beispiel: ROMVLVS und REMVS

Quelle: Officia M.T.C. Ein Buch / so Marcus Tullius Cicero der Römer / zuo seynem sune Marco. Von den tugentsamen ämptern […] in Latein geschriben. Augsburg: Heinrich Steiner 1531; fol. LXXv

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Typ: Spezifisches Attribut dient der Identifikation

(O)bjekt: eine als historisch-konkret gedachte Person, deren Aussehen indessen unbekannt ist

(T)echnik: eine typische Handlung / Szene / ein kennzeichnendes Attribut wird zwecks Identifikation der Person gezeigt

(H) Betrachter muss die Geschichte (aus Exempel, Legende, Anekdote) kennen.

Beispiel 1: Damokles sitzt unter dem Schwert (Cicero, tusc. disp. V,61–62)

Quelle: Franciscus Petrarca, Von der Artzney bayder Glück / des guten vnd widerwertigen, Augsburg: Steiner MDCXXXII; I,91.

Beispiel 2: Katharina mit dem Rad (Legenda Aurea Cap. 168 )

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_von_Alexandrien

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Typ: Bildformel

(O)bjekt: eine historisch-konkrete Person, deren Aussehen unbekannt ist

(T)echnik: eine Bildformel (König mit Krone und Szepter; Mönche mit Tonsur usw.) wird zwecks Identifikation der Person/Rolle verwendet

(H) Kulturelles Sachwissen

Beispiel: Papst Johannes XII. (955–963 Papst, 964 ermordet), war einer der lasterhaftesten Gestalten in diesem Amt. Der Text zum Bild beschreibt: … ward Papst Johannes in offnem Eebruch ergriffen/ und erstochen. – Man kann sich nicht vorstellen, dass sich der Papst mit der Tiara auf dem Kopf zu der Frau ins Bett gelegt haben wird; die Tiara markiert seinen Status.

Quelle: [Johann Stumpff], Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten / Landen vnd Völckeren Chronik wirdiger thaaten beschreybung […] Zürich: Froschouer M.D.XLVII; Band I, fol.44verso

Die 596 Bildnisse der Schedelschen Weltchronik (1493) sind von nur 72 Holzstöcken gedruckt. Kaiserkrone, Szepter, Reichsapfel (und Bart) charakterisieren die Träger; Päpste tragen die Tiara, Bischöfe die Mitra usw. Die Insignien machen die Person aus, nicht die (als zufällig geltenden) Gesichtszüge. So sehen die Konterfeis auch noch in Münsters »Cosmographia« und Stumpfs Chronik (1547/48) aus.

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Typ: Attribut einer Gattung

(O)bjekt: Gattungsbezeichnung oder Klasse (ein Stand, eine soziale Gruppe, eine Berufsgruppe, ….)

(T)echnik: typische Attribute werden beigegeben z.B. ›ein Kind‹ – Spielzeug; ›ein Narr‹ – Schellenkappe; ›ein Papst‹ – Tiara; ...

Beispiel: Ein Kind

Quelle: Franciscus Petrarca, Von der Artzney bayder Glück / des guten vnd widerwertigen, Augsburg: Steiner MDCXXXII; Kapitel I,74

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Typ: Ethnographische Typen

(O)bjekt: Physiognomie einer Ethnie

(T)echnik: Charakterisierung durch stilisierende Abstraktion

Beispiel: Tafel mit ›Menschenrassen‹

Quelle: Heinrich Rebau [i.e. Christian August Gebauer, 1792–1852], Naturgeschichte für die deutsche Jugend, dritte Ausgabe nochmals durchgesehen und verbessert von Ch.F. Hochstetter, Reutlingen: Mäcken 1833.

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Typ: Charaktere I

(O)bjekt: ein Charakter-Typ oder eine momentane Emotion

(T)echnik: Stilisierung, oft auch karikierende Übertreibung

(H) Anthropologisches Basiswissen; allenfalls auch kulturelle Einfärbung

Erstes Beispiel: Der Blasierte

Quelle: H. Schlittgen, in: Fliegende Blätter 1907, Nro. 3215, Seite 114

Zweites Beispiel: Gesichtsausdruck bei gewissen Emotionen:

Legende: 2. Lächeln, 3. Grinsen, 4. Gelächter, 6. homerisches Gelächter, 7. Staunen, 8. Verächtlich, 9. Ärgerlich, 10. Zorn, 15. Schmerz.

Quelle: Hans Engel, Karikaturen zeichnen. Leicht verständliche Einführung und Anleitung, Ravensburg: Otto Maier, 2.Aufl. 1935; Bild 47.

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Typ: Charaktere II

(O)bjekt: ein Charakter-Typ

(T)echnik: Abstrahierung durch Überlagerung (von Fotografien)

Beispiel: ›der‹ typische Verbrecher

Quelle: Francis Galton (1822–1911), Composite portraits made by combining those of many different persons into a single figure, 1878 und viele weitere Publikationen, vgl.: http://galton.org/composite.htm

Auf http://www.faceresearch.org/demos/average <12.1.13> kann man selbst solche Mischportraits herstellen.

Die Technik hat vornehme Ahnen:

Zeuxis mahlet die schöne Helenam.
Von dem fürtrefflichen und weitberühmten Mahler/ dem Zeuxe, schreibet der Römische Redner Cicero, wie er mit seinem kunstreichen Pinsel wollen abmahlen die alle Weiber in Griechenland an Schönheit übertreffende Helenam, so habe er alle schöne Jungfrauen aus denen Oerten zusammen gefordert/ und aus allen genommen ihrer fünffe/ die er achtete/ daß sie es allen andern an Schön- und Höfflichkeit zuvor thäten. Diß that er zu dem Ende/ auf daß er von diesen fünffen nehme ein Formular und Muster/ nach welchem er möchte hernach die schönste Helenam abbilden. Derowegen so hat er von der einen nachgebildet die schöne Goldgelbe Haar/ von der andern die klaren hellgläntzenden Augen/ als die Liebe und des Hertzens Dollmetscherinnen. Von der dritten die Zierde der Brüste/ von der vierdten der Lippen und der Wangen natürlich-schöne Röthe. Von der fünfften hat er geborget die hocherhabene weite Stirn: Aus denen zusammen er/ nach seiner Mahler-Kunst gleich die Quintam Essentiam der Schönheit herausgezogen hat/ in solcher Vollkommenheit/ daß aller die sie mit ihren Augen angesehen/ sich darüber haben müssen verwundern.

Peter Lauremberg [und spätere Kompilatoren], Neue und vermehrte ACERRA PHILOLOGICA. Das ist: Sieben Hundert Außerlesene, Nützliche/ lustige und denckwürdige Historien und Discursen. Aus den berühmtesten Griechischen und Lateinischen Scribenten zusammen getragen. Franckfurt und Leipzig, Anno MDCCXXVIII. – Buch VI, Nr. 38. Zitiert wird Cicero, de inventione II ,i ,1–3.

Dionysius Lebeus Batillius hat die Szene, wie Zeuxis dieses Idealbild malt, in seinem Emblembuch (1596) festgehalten … > http://diglib.hab.de/drucke/uk-35/start.htm

In Lukians Dialog »Die Bilder« schildert Lycinus seinem Dialogpartner Polystratus die schöne Frau Panthea, die er gesehen hat, indem er ihm berühmte Bildwerke in Erinnerung ruft und daraus das Bildnis zusammensetzt. > https://de.wikisource.org/wiki/Seite:Lucians_Werke_0954.jpg (Übersetzung von August Friedrich Pauly 1827–1832).

Im Liederbuch der Clara Hätzlerin (1470/71) findet sich ein spaßiges Gedicht:

Ain haubt von Behmer land,
Zway weisse ärmlin von Prafand,
Ain prust von Schwaben her,
Von Kernten zway tüttlin, ragend als ain sper,
Ain pauch von Österreich,
Der wär schlecht vnd geleich,
Vnd ain Ars von pollandt,
Auch ain Bayrisch f daran,
[zu f vgl. hier]
Vnd zway füßlen von dem Rein:
Das möcht ain schöne fraw gesein!

Liederbuch der Clara Hätzlerin, hg. Karl Ferdinand Haltaus (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur Band 8) Quedlinburg 1840; Seite LXVIII (Bl.1, Nr. 7).

Literaturhinweis zur Geschichte des Verfahrens, mit einer Menge von Vorbildern eine idealtypische Figur zu verfertigen: Christel Meier-Staubach, Der ideale Mensch in Alans von Lille ›Anticlaudianus‹ und seine Verwandlungen, in: Nikolaus Staubach (Hg.), Exemplaris Imago. Ideale in Mittelalter und Früher Neuzeit (Tradition – Reform – Innovation. Studien zur Modernität des Mittelalters 15), Frankfurt /Bern 2012, S. 137–157.

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Typ: Charaktere III

(O)bjekt: ein Charakter-Typ

(T)echnik: Übertragung in einen anderen Weltausschnitt, hier in die Welt der Tiere

(H) Kenntnisse der gewissen Tierarten landläufig (nicht im biologisch engen Sinne) beigelegten Charakter-Eigenschaften

Beispiel: Fabel von Grille und Ameise (Perry 373). Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562)

Quelle: Fabulæ variorum auctorum nempe Aesopi s. graeco-latinae CCXCVII. [...], Francofurti, apud Christ. Gerlach & Sim. Beckenstein MDCLX.

Vergleichsbeispiel (Typ Attribut; nämlich Laute vs. Heimarbeit):

Quelle: Ameise und Grille, aus: Die Gartenlaube, 1894, Nr. 35, S. 585 (Illustrator: R. Beyschlag).

Die Charakterisierung kann auch durch ein Kompositwesen aus Tier und Mensch erfolgen. Grandville (Jean Ignace Isidore Gérard, 1803–1847) ist ein Meister dieser Technik.

Beispiel: Grandville, Monsieur Vautor aus der Lebensgeschichte eines Hasen in »Scènes de la vie privée et publique des animaux. Études de mœurs contemporaines« (1840–1842).

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Typ: Mythologische Figur

(O)bjekt: eine mythologische Figur

(T)echnik: Charakterisierung durch typische Attribute (die aus Texten oder ikonographischen Werken bekannt sind) zwecks Identifikation der Figur

(H) Spezialwissen zur Mythologie

Beispiel: Mercur – wird mit Flügeln am Hut; Caduceus (Doppelschlangenstab); Geldbeutel; Ziege und Hahn charakterisiert / an ihnen erkannt

Quelle: Vincenzo Cartari (1531– ?), Imagini delli ’Dei de gl’Antichi; hier nach der lat. Ausgabe von 1581.

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Typ: Abstraktum

(O)bjekt: ein abstrakter Begriff

(T)echnik: Mannequin und dessen Charakterisierung durch Ding-Symbole

Beispiel: Die Personifikation von Hülff und Beystand

Ein junger Mann — Er wird folgendermaßen charakterisiert: Er trägt ein weißes Kleid (steht für Aufrichtigkeit) und darüber einen Purpurmantel (Liebe). Auf dem Haupt ein Kranz mit Ölzweigen (vgl. Psalm 52,10). Am Hals eine goldene Kette, woran ein Herzlein hängt Die rechte Hand ausgestreckt. Die linke Hand hält einen Pfahl, an dem sich Reben emporranken (für Unterstützung). An seiner Seite ein Storch (in der Bestiar-Tradition helfen die jungen Störche den alten).

Quelle: [Cesare RIPA] Erneuerte Iconologia oder Bilder-Sprach: Worinnen Allerhand anmuhtige Außbildungen von den fürnehmsten Tugenden Lastern menschlichen Begierden [...] Frankfurt a. Main, 1669/1670; Band I, S.28f. > http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ripa1669

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Typ: Nicht-individueller Handlungsträger I

(O)bjekt: ein Ding / eine Tätigkeit / eine Hantierung / eine Praktik / ein Werkzeug / eine Statistik soll gezeigt werden. Dabei ist die Person austauschbar.

(T)echnik: Platzhalterfigur, Mannequin, (ähnlich wie in der Literatur das ›lyrische Ich‹)

Beispiel 1: Arbeiter auf den Tafeln in der Encyclopédie:

Quelle: Encyclopédie, Recueil des Planches, t. VIII (1771): Orfèvre

 

Beispiel 2: Wanderkleidung. Es kommt nicht darauf an, welches Individuum welches Kleid trägt; einzig der Unterschied von Männern/Frauen ist zu berücksichtigen. Dieser Graphiker hat dies mit der Stilisierung realisiert, die die Gesichter weglässt.

Quelle: Der Große Herder. Nachschlagewerk für Wissen und Leben. 4. Auflage von Herders Konversationslexikon. – 12. Band Unterführung bis Zz, Freiburg/Br. 1935.

 

Beispiel 3: Die modernen Pictogramme erfordern eine Stilisierung der auf ihnen dargestellten Menschen. Bei Verkehrsschildern müssen aber immerhin Eigenschaften wie ›Bauarbeiter‹, ›Kind‹, ›Reiter‹ erkennbar sein. Im Beispiel muss deutlich sein, dass es sich um Greise handelt:

Verkehrsschild »elderly people« in England

 

Beispiel 4: Otto Neurath hat in seinen Bild-Statistiken die Handlungsträger zu einer Grundform stilisiert.

In diesem Beispiel geht es nur noch um die Anzahl der Werktätigen; die Farben verweisen darauf, ob die Arbeiter in der Staatswirtschaft, in Genossenschaften oder in der Privatwirtschaft angestellt sind; die Pictogramme zeigen Berufsgruppen.

Quelle: Otto Neurath, Gesellschaft und Wirtschaft. Bildstatistisches Elementarwerk, Leipzig 1930, Blatt 86.

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Typ: Nicht-individueller Handlungsträger II

(O) Die ›Protoplasten‹ Adam und Eva dürfen natürlich niemandem ähneln, denn aus ihnen geht ja die ganze Menschheit hervor. Vom Illustrator wird also verlangt, dass er einen Idealtyp darstellt.

Quelle: Neue Künstliche Figuren Biblischer Historien. Und zu Gotsförchtiger ergetzung andachtiger Hertzen mit artigen Reimen begriffen durch J. F[ischart]. G. M / grüntlich von Tobia Stimmer gerissen, zu Basel bei Thoma Gwarin Anno 1576.

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Typ: Teil-Ansicht

(O)bjekt: Nicht der ganze Leib einer (beliebigen) Person steht im Focus, sondern nur Körperteile

(T)echnik: Freistellen (engl. cropping).

(H) Kenntnis der Visualisierungstechnik des Freistellens, damit der Betrachter nicht glaubt, es handle sich um ein amputiertes Bein oder Gliedmaßen einer Leiche (man beachte: auch die Hände des Arztes sind freigestellt).

Quelle: D. Joannis Sculteti, Weiland hochberühmten Medici ... Wund-Artzneyisches Zeug-Hauß : In Zween Theil abgetheilt; Mit drey vollkommenen Registern aller denckwürdigen Sachen/ Welches ... in die Teutsche Sprach übersetzet hat/ Ihr Hoch-Fürstl. Durchl. zu Württemberg ... Physicus D. Amadeus Megerlin. Franckfurt: Gerlin 1666; Tafel LV.

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Typ: Darstellbarkeit an sich

(O)bjekt ist nicht eine Person, sondern die Darstellbarkeit des menschlichen Leibs, zum Beispiel in einer Zeichenschule

Die Bilder sind als Vorlagen zum Abzeichnen gedacht:

Charles Le Brun [(1619–1690), Conference de Monsieur LeBrun Sur Expression generale et particuliere, Enrichie fig. gravées par B. Picart, Amsterdam / Paris 1698.]; hier nach Encyclopédie, Recueil de Planches, Seconde Partie , Paris 1763; "Dessein", Planche XXVI: Expreßion des Paßions

(T)echnik: Maßangaben

Quelle: <Hierin sind begriffen> vier Bücher von menschlicher Proportion/ durch Albrechten Dürer von Nürenberg erfunden und beschriben zu Nutz allen denen/ so zu diser Kunst lieb tragen. MDXXViij (Reprint: Unterschneidheim: W. Uhl 1969).

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Typ: Figur als Eye catcher

Bei diesem Typ geht es gar nicht darum, jemanden abzubilden. Die Figur steht im Dienst eines anderen Interesses. (Genau genommen fallen solche Bilder aus dem Rahmen des Projekts ›Visualisierung von Wissen‹.)

Quelle: SIMPLICISSIMUS, 9. November 1908.

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Typ: (Pseudo-)Portrait zur Visualisierung von Datenmengen

Chernoff-Faces

Eine Erfindung des amerikanischen Mathematikers Herman Chernoff (1973 publ.)

Die statistischen Proportionen eines multidimensionalen Sachverhalts werden hier statt in Längen wie bei der Balken- oder Winkeln wie bei der Kuchengraphik in stilisierten Gesichtszügen (Größe des Kinns, des Gesichtsschädels, Mundstellung, Winkel der Augenbrauen usw.) abgebildet. Die in Gesichtsform dargestellten Daten können im Gegensatz zu Zahlentabellen schneller erfasst werden. Die Ursache liegt in der beim Menschen gut ausgeprägten Fähigkeit, winzige Details und Unterschiede in den Gesichtszügen zu erkennen. (Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Chernoff_face)

Eine zusätzliche, emotionale Dimension kommt (gewollt oder vom Statistiker ungewollt) hinzu, insofern wir Gesichtszügen Qualitäten wie "hochgehobene Augenbrauen – erstaunt sein", "breites Kinn – Hang zur Brutalität", "hochgewölbte Stirn – Intelligenz" beiordnen.

Quelle: http://mapmaker.rutgers.edu/355/Chernoff_face.gif

Vgl. > https://de.wikipedia.org/wiki/Chernoff-Gesichter

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zuerst eingestellt 5.5.12 pm; überarbeitet im Januar, September 2013, März 2015

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