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Mikrostruktur von Artikeln in Enzyklopädien |
EinleitungZur Typographie: Das in Frage stehende Ding (das Definiendum) ist in VERSALIEN geschrieben. Zitate aus Enzyklopädien stehen kursiv. Es gibt verschiedene Typen von ›Definitionen‹ Es wäre naiv zu glauben, die Technik der Definition »per genus proximum et differentiam specificam« sei allgemeingültig. Die Tugend der BARMHERZIGKEIT kann ich nicht so erklären wie ich PRIMZAHL erkläre. Jeder Objekt-Typ fordert eigene Definitionstypen. Nominaldefinition oder Realdefinition? An der Form ist nicht ohne weiteres zu erkennen, von welchem logischen Typ ein Satz ist, ob der Wortsinn bestimmt wird oder die Sache erörtert wird: • zu Nominaldefinition: Als analytische Urteile gelten wahre Aussagen, die – von Tatsachen unabhängig – aus den Sprachverwendungsregeln selbst hervorgehen. Beispiel: Der Aalstrich ist ein dunkler Streifen auf dem Rücken von Tieren. • zu Realdefinition: Hier geht es um synthetische Urteile, d.h. wahre Aussagen über Tatsachen, die aufgrund von Beobachtung, Experiment u.a.m. erhärtet werden können. Beispiele: Der Aalstrich ist ein ausgeprägtes Merkmal von Wildformen. Pinguine leben in der Antarktis. In enzyklopädischen Texten kommen beide Satztypen vor. Je nachdem, in welcher Diskurswelt man sich befindet, kann/muss dasselbe Wissenselement verschieden bestimmt werden. Wissen ist eingebunden in Problem- oder Diskursfelder (Beispiel: KIND als biologische, als juristische, soziale Grösse).
Gefälle Definiens / Definiendum Es versteht sich, dass dem Fragenden unbekanntes Wissen nur vermittelt werden kann, wenn der vermittelnde Text an ihm Bekanntes anknüpft. omnis intellectiua noticia denouo nobis acquiritur per aliquid prius notum (so der erste Satz im »Vocabularius optimus« ed W .Wackernagel, 1847). Das führt zur Thematik der Präsuppositionen Die Erklärung von Sachen und die Einführung von Wörtern geschieht nie voraussetzungslos; sie rechnet immer mit einem Vorwissen des Benutzers.
Oberflächen- und Tiefenstruktur: Die tatsächlich in Enzyklopädie-Texten vorkommenden Texte sind oft durch Transformationen einem Stilideal angepasst, d.h. sie folgen nicht der »Orthosprache« (Kamlah/Lorenzen)
Elemente und deren Kombination. Die untenstehende Liste verzeichnet elementare Typen, die sich in Enzyklopädie-Artikeln finden. Innerhalb ein und desselben Enzyklopädieartikels, ja innerhalb desselben Satzes können verschiedene Typen kombiniert sein. Die berühmteste Kombination von zwei Verfahren ist: das Archilexem plus eine charakteristische Eigenschaft angeben (Definitio per genus proximum et differentiam specificam).
Eine komplexere Form der Angabe von Eigenschaften und Verfahren ist die Beschreibung eines systematischen Zusammenhanges, wie er zum Bsp. bei der Erklärung von Maschinen notwendig wird. Jedes im enzyklopädischen Artikel eingeführte Definiens-Element kann seinerseits Thema einer neuen Aussage werden. So ergibt sich ein netzartig ausbreitender Text. Bibliographisch Hinweise Diese Skizze ist inspiriert an der Definitionslehre und der Analyse nach logischen Satztypen:
PM 2005–2010 |
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Ostensiv-DefinitionMan zeigt auf das Definiens. Bei Eigennamen ist dies problemlos: Ich richte das Fernrohr auf den Stern ALPHA CENTRAURI und lasse den Benutzer durchblicken; im Printmedium behilft man sich mit einem Bild-Surrogat. Bei Appellativen ist die Sache schwieriger: Die Enzyklopädie kann nur ein Exemplar des Definiendum zeigen und muss dem Benutzer eine Verallgemeinerung überantworten. Die Methode funktioniert nur bei stabilen Entitäten (Pflanzen- und Tierarten: Dies ist ein ZEBRA; chemischen Stoffen u.ä.) |
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Das Archilexem oder die übergeordnete Gattung des Definiendum wird angeben Es wird gesagt,
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Das Definiendum wird (taxonomisch) unterteiltText%%%
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Es wird ein Synonym des Definiendum angegeben
Meist kommt man damit nicht sehr weit: BRUTPFLEGE: die Fürsorge der Eltern für ihre Nachkommenschaft ist tautologisch und muss sofort mit Fällen-von erläutert werden: Mitgabe von Nahrungsdotter, Viviparität, direkte Bewachung. Das Synonym kann auch eine Übersetzungsgleichung sein; das ist namentlich dann sinnvoll, wenn das Wort in der beigezogenen Sprache eine deutlichere Verwendung hat:
Verwandt ist die Technik, ein kulturelles Äquivalent des Definiendum anzugeben:
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Es wird ein Antonym des Definiendum angegeben##### |
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Es wird das Benennungsmotiv des Definiendum angegeben
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Die Diskurswelt, in der das Definiendum vorkommt, wird angeben
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Gewisse Definienda lassen sich nur dadurch erfassen, dass man die Extension des Worts vollständig erfasstEs wird eine Reihe von Untermengen oder Individuen des Definiendum angegeben.
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Es wird auf etwas Bekanntes verwiesen und ein Modifikator genannt
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Es wird ein Herstellungs-Verfahren für das Definiendum oder die Genese des Definiendum angegeben
Eine (täterabgewandte) Variante davon ist die Einführung des Definienum, die darauf beruht, dass dessen Entstehung (Genese) angegeben wird:
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Zur Charakterisierung des Definiendum dient eine ErzählungDieses Mittel muss bei Auskunft über Personen angewendet werden (Prosopo-Graphie); die Textstruktur ist: dann geschah a, dann geschah b usw.
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Das Definiendum wird mit einem Exemplum simuliertEs wird ein prototypischer Fall erzählt, wobei beim Benutzer vorausgesetzt wird, dass er die Geschichte abstrahiert.
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Das Definiendum wird mit einem Modell simuliert
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DispositionswörterEs wird aus einer Situationsbeschreibung (Ein Verletzer liegt am Wegrand, hilflos.) und einer Handlung (Du versorgst ihn ohne einen eigenen Nutzen davon zu haben.) mittels eines reduktiven Schlusses eine Disposition (Siehst Du: das nennt man BARMHERZIGKEIT) erschlossen. Emotionen und Tugendbegriffe werden so eingeführt. Vgl. G. Ryle, The Conept of Mind.
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›Komponieren‹ des DefiniendumEs gibt Lemmata, welche extrem komplizierte Konstrukte umfassen, z.B. BÜRGERTUM, BILDUNG — Solche Begriffe müssen – um mit Max Weber zu sprechen, der dies für KAPITALISMUS 1905 getan hat – unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte komponiert werden, ähnlich wie die Medizin ein Syndrom beschreibt. |
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Zusammenfassung als Mittel der DefinitionEin literarischer Text kann ›definiert‹ werden, indem man ihn zusammenfasst:
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Es werden Eigenschaften, Merkmale des Definiendum angegebenEs wird, logisch gesprochen, die Intension des Worts beschrieben. Obwohl inhaltlich sehr vielfältig und den Löwenanteil der Enyzklopädieartikel bestimmend, sind dies Bestimmungen sprachlogisch alle vom gleichen Typ der Prädikation: XXX ist p; XXX hat q; XXX bewirkt r; usw. Diese große Gruppe lässt sich anhand der Spezifik der Fragen differenzieren. Unbefriedigend ist, dass der Katalog der Fragen nicht präzis abgeschlossen werden kann. Die aristotelischen Kategorien (Topik I 9; 103b 20) oder der alte rhetorische Fragekatalog Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando? reichen nicht aus.
In der Regel erfolgt eine ganze Reihe von intensionalen Bestimmungen. Bei Tieren z.B. wird das Aussehen, der Lebensraum, die Fortpflanzung, der Verwendungszeck usw. angegeben:
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Die zuletzt genannte Kategorie führt von der Beschreibung einfacher Definitionen zur Beschreibung der Abhandlungen, wie sie in ausführlicheren Enzyklopädien enthalten sind. |
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