Bilder von Gott

     
 

Kein Bildnis von Gott — anthropomorphe Bilder von Gott

»Jeder Gott ist Bildwerdung einer Erfahrung.«
(Othmar Keel, 26.5.2000)

 

Das Heilige / Numinose erscheint in Bergen, Tieren, Gestirnen, aus dem Feuer, in fascinosen Monstren und anderen Hierophanien wie beispielsweise einem Gottkönig, in Träumen und ekstatischen Zuständen von Gläubigen, in ›un-natürlichen‹ Wundern. – In der folgenden stark vereinfachenden Darstellung geht es nur um anthropomorphe (menschen-förmige) Visualisierung des Göttlichen in der christlichen Ikonographie. Andere Religionen werden nicht behandelt, so interessant dies wäre.

••• Ikonoklastische Haltung: Gott selbst verbietet im Dekalog den Menschen, sich ein Bild von ihm zu machen:

Du solt dir kein Bildnis noch jrgend ein Gleichnis machen / weder des das oben im Himel / noch des das vnten auff Erden / oder des das im Wasser vnter der erden ist. Bete sie nicht an / vnd diene jnen nicht (Exodus 20,4–5 nach der Übersetzung Luthers 1545; vgl. die Stelle Deuteronomium 5,8–9)

Moses auf dem Felsen vor dem Empfang der Gesetzestafeln (Exodus 33,20):

Und [der Herr] sprach: »Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.« […] 23 »Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht aber kann nicht gesehen werden.«

Was Hans Holbein d.J. nicht gehindert hat, dies so darzustellen (Druck Lyon 1538):

Der Prophet Jesaias verspottet die Hersteller von Götzenbildern (Jes 44,9–20):

Die Götzenmacher sind allzumal eitel / vnd jr Köstlichs ist kein nutz […] Wer sind sie die einen Gott machen / vnd götzen giessen / der kein nütze ist? […] Es schmidet einer das Eisen in der Zangen / erbeitet in der glut / vnd bereitets mit Hemmern / Vnd erbeitet dran mit gantzer krafft seines Arms / leidet auch Hunger bis er nimer kan / trincket auch nicht wasser / bis er matt wird. Der ander zimert Holtz / vnd missets mit der Schnur / vnd zeichets mit Rötelstein / vnd behewet es / vnd cirkelts abe / vnd machtes wie ein Mansbilde / wie einen schönen Menschen / der im Hause wone. Er gehet frisch dran vnter den Bewmen im walde / das er Cedern abhawe / vnd neme Buchen vnd Eichen […]. Er machet einen Götzen daraus / vnd kniet dafur nider. Die helfft verbrennet er im fewr / vnd vber der andern helfft isset er fleisch / Er brett einen Braten vnd settiget sich / wermet sich auch / vnd spricht / Hoia / Jch bin warm worden / ich sehe meinen lust am fewr. Aber das vbrige machet er zum Gott / das sein Götze sey / dafur er kniet vnd niderfellet / vnd betet / vnd spricht / Errette mich / Denn du bist mein Gott. (Luther 1545)

Jesaias 45,15: Wahrhaftig, du bist ein verborgener Gott. – Vere tu es Deus absconditus.

Paulus verwahrt sich gegen eine Sehbarkeit Gottes, wenn er sagt: Als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende. (2. Kor 5,7)

1.Timotheus 6,16: der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag.

Ein verwandter Gedanke findet sich in der Areopag-Rede des Paulus (Apostelgeschichte 17,16–34), wo dieser den Athenern sagt, er habe in der Stadt einen Altar mit der Aufschrift »Dem unbekannten Gott« gesehen, und: Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das will ich euch jetzt verkündigen. Dann (17,29):

Vulgata: sicut et quidam vestrorum poetarum* dixerunt: Ipsius enim et genus sumus. Genus ergo cum simus Dei, non debemus aestimare auro, aut argento, aut lapidi, sculpturae artis, et cogitationis hominis, divinum esse simile.

Zürcher Bibel 1531 Als etlich Poeten* bey euch gesagt habennd: Wir sind seiner art. So wir dann Göttlicher art sind/ söllend wir nit meynen die Gottheyt sey gleych dem gold oder dem silber/ oder dem bildwerck der menschlichen kunst vnd dichtung.

Lutherbibel 2017 wie auch einige Dichter* bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.

*) Die Bibelkommentare verweisen auf den Prolog von Aratus, »Phainomena«: Wir sind seines Geschlechts (genos; übers. Voss) — Vgl. dazu: Eduard Norden, Agnostos Theos, Leipzig/Berlin: Teubner 1913. > https://archive.org/details/agnostostheosunt00norduoft

Solche Ansichten wurden dann gestützt bei der Assimilation platonischen Gedankenguts in der christlichen Tradition. Die Sehbarkeit des ›Wesentlichen‹ wird bekanntlich im Platonismus abgewertet; die Ideen sind jenseits der Sphäre des Sichtbaren.

Berühmt sind sodann Sätze von Augustinus (354–430), die er bei der Beschreibung eines mystischen Moments sagt: Ich schaute mit den Augen meiner Seele das allumfassende, unwandelbare Licht, das von einer ganz anderen Art als das kreatürliche ist: Nein, nicht also, sondern anders, ganz anders und gewaltig von alledem unterschieden – aliud valde ab istis omnibus (Confessiones VII, x, 16). Und: Wenn Du es verstehst, dann ist es nicht Gott – si comprehendis non est Deus (Sermo 52,16 in: Patrologia Latina 38,360).

Augustinus kennt die Vorstellung des Bilderverbots für Gottheiten auch im Heidentum:

Varro berichtet, die alten Römer hätten über hundertundsiebzig Jahre lang die Götter ohne Bildnisse verehrt, und bemerkt dazu: ›Wäre es dabei geblieben, so würde die Verehrung der Götter eine reinere sein‹. Zum Beleg für diese Ansicht beruft er sich auch auf das Volk der Juden; ja er sagt zum Beschluss dieser Stelle unbedenklich, jene, die zuerst für das Volk Götterbildnisse aufstellten, hätten ihren Mitbürgern die ehrerbietige Scheu benommen und einen Irrtum hinzugefügt, wobei er von der ganz vernünftigen Anschauung ausgeht, dass die Götter bei der Unzulänglichkeit der Bildnisse leicht der Verachtung anheimfallen könnten.

dicit etiam antiquos Romanos plus annos centum et septuaginta deos sine simulacro coluisse. quod si adhuc, inquit, mansisset, castius di obseruarentur. cui sententiae suae testem adhibet inter cetera etiam gentem Iudaeam; nec dubitat eum locum ita concludere, ut dicat, qui primi simulacra deorum populis posuerunt, eos ciuitatibus suis et metum dempsisse et errorem addidisse, prudenter existimans deos facile posse in simulacrorum stoliditate contemni. (De civitate Dei IV, 31)

In der Erkenntnistheorie verbietet der Satz, dass Gleiches nur durch Gleiches erkannt werden kann, eine leibliche Anschauung Gottes. Das Theorem wurde angedacht bereits von Empedokles (Fragment Diels/Kranz, Vorsokratiker, Nr. 109); zitiert und auf den Punkt gebracht von Aristoteles Met. III 4, 1000b 6: hê gnôsis tou homoiou tô homoiô. – Vgl.: Artur Schneider, Der Gedanke der Erkenntnis des Gleichen, in: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters; Texte und Untersuchungen. Supplementband, Band 2 = Festgabe Clemens Bäumker, Münster 1923, S.59–76. > https://books.google.ch/books?id=wFApAQAAIAAJ&hl=de&source=gbs_navlinks_s

Xenophanes (ca. 570 – ca. 478 v.u.Z.) verspottet anthropomorphe Gottesvorstellungen auf seine Art:

Wenn die Ochsen und Rosse und Löwen Hände hätten oder malen könnten mit ihren Händen und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse rossähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und solche Körper bilden, wie jede Art gerade selbst das Aussehen hätte. Die Äthiopen behaupten, ihre Götter seien schwarz und stumpfnasig, die Thraker, blauäugig und rothaarig. (Diels / Kranz, Vorsokratiker, Nr. 15)

••• Ikonodule Haltung: Das Gebot, sich von Gott kein Bildnis zu machen, wurde aber in der christlichen Ikonographie immer wieder missachtet: Gott wird anthropomorph dargestellt, wobei verschiedene Bibelstellen (oft simplifizierend) in Anspruch genommen werden konnten:

Genesis 1,29: Lasset uns Menschen machen nach unserem Bilde, uns ähnlich.

Jesaias 6,1ff: Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. – Ähnlich Daniel 7,9: Ich sah immer noch hin; da wurden Throne aufgestellt und ein Hochbetagter nahm Platz. Sein Gewand war weiß wie Schnee, sein Haar wie reine Wolle.

Auch ein naives Verständnis von Stellen bei Paulus, wo Christus (den man ja abbilden darf) als Bild Gottes bezeichnet wird (2 Kor 4,4 und Kol 1,15), mag einer solchen Darstellung Vorschub geleistet haben. Die Diskussion der Stelle führt im übrigen zu schwierigen dogmatischen Problemen (Häresie des Doketismus).

Berühmt sind die Passagen aus Briefen Gregors des Großen († 604), in denen er sich für Bilder zugunsten der Gläubigen, die nicht lesen können, ausspricht – wobei hier nicht gesagt wird, dass es sich um Bilder von Gott handelt: Gegen den Papst (!) Gregor sind die Reformierten Sturm gelaufen (vgl. J. J. Berns 2014).

Epistola IX, cv Ad Serenum Massiliensem Episcopum (PL 77, 1027). Der Brief richtet sich gegen eine ikonoklastische Aktion, die Papst Gregor bekannt wurde:

Praeterea indico dudum ad nos pervenisse quod fraternitas vestra, quosdam imaginum adoratores aspiciens, easdam in ecclesiis imagines confregit atque projecit. Et quidem zelum vos, ne quid manufactum adorari posset, habuisse laudavimus, sed frangere easdam imagines non debuisse indicamus. Idcirco enim pictura in ecclesiis adhibetur, ut hi, qui litteris nesciunt, saltem in parietibus videndo legant quae legere in codicibus non valent. Tua ergo fraternitas et illas servare, et ab earum adoratu populum prohibere debuit, quatenus et litterarum nescii haberent unde scientiam historiae colligerent, et populus in picturae adoratione minime peccaret. Auch gebe ich Euch kund, es sei Uns schon vor längerer Zeit zu Ohren gekommen, Eure Brüderlichkeit habe in den Kirchen Bilder zertrümmert und hinausgeworfen, weil einige Leute sie angebetet hätten. Wir loben es zwar, dass Ihr Eifer gegen die Anbetung von Menschenwerken gehabt habt, aber müssen Euch doch sagen, dass Ihr diese Bilder nicht hättet zertrümmern sollen. Denn darum werden in den Kirchen Gemälde verwendet, damit die des Lesens Unkundigen wenigstens durch den Anblick der Wände lesen, was sie in Büchern nicht zu lesen vermögen. Deine Brüderlichkeit hätte sie also belassen, wohl aber das Volk von ihrer Anbetung abhalten sollen, damit einerseits die des Lesens Unkundigen Gelegenheit haben, sich die Kenntnis der hl. Geschichte zu erwerben, anderseits aber das Volk nicht durch Bilderanbetung sündige.

Epistola XI, xiii Ad Serenum Massiliensem Episcopum (PL 77, 1128)

Aliud est enim picturam adorare, aliud per picturae historiam quid sit adorandum addiscere. Nam quod legentibus scriptura, hoc idiotis praestat pictura cernentibus, quia in ipsa etiam ignorantes vident quid sequi debeant, in ipsa legant qui litteras nesciunt. Unde et praecipue gentibus pro lectione pictura est. […] Frangi ergo non debuit quod non ad adorandum in ecclesiis, sed ad instruendas solummodo mentes fuit nescientium collocatum. Etwas anderes ist es ja, ein Gemälde anzubeten, und etwas anderes, aus dem Gemälde den Gegenstand der Anbetung kennenzulernen. Denn was die Schrift denen bietet, die lesen können, das bietet ein Gemälde den Gläubigen, die nicht lesen können. Dasselbe stellt auch den des Lesens Unkundigen ein nachahmungswürdiges Beispiel vor Augen und lehrt so ohne Buchstaben zu lesen. Darum sind die Bilder vorzüglich für die Heiden anstatt der Lektüre geeignet. […] Was also nicht zur Anbetung, sondern nur zur Belehrung der Unwissenden in der Kirche aufgestellt war, das hätte nicht zertrümmert werden sollen.

Martin Luther lässt 1529 eine Gebetbüchlein mit Bibel-Bildern drucken (Ein betbüchlin mit eym Calender vnd Passional, hübsch zugricht, Wittemberg: Hans Lufft, 1529). Im Vorwort sagt er zur die Bedeutung der Bilder:

Umb der kinder und einfeltigen willen, welche durch bildnis und gleichnis besser bewegt werden die Göttlichen geschicht zu behalten, denn durch blosse wort odder lere, Wie S.Marcus bezeuget, das auch Christuns umb der Einfeltigen willen eitel Gleichis für jnen geprediget habe.

Aus der Vorrede zur Zürcher Bibel 1531 (verfasst von Leo Jud, 1482–1542):

… vnnd damit wir der gedächtnuß [Erinnerung] etwas hulffind / und den läser lustig machtind [≈ seinen Eifer anreizen] / habend wir die figuren nach einer yetlichen geschicht [passenden] gelägenheyt hinzuo getruckt / verhoffend es werde lustig vnd angenäm sein.

Konzil von Trient am 3. Dez 1563 > http://patristica.net/denzinger/enchiridion-symbolorum.html

Denzinger #1823: Imagines […] non quod credatur inesse aliqua in iis divinitas vel virtus, propter quam sint colendae, vel quod ab eis sit aliquid petendum, vel quod fiducia in imaginibus sit figenda, …

Ferner soll man die Bilder Christi, der jungfräulichen Gottesgebärerin und anderer Heiliger vor allem in den Kirchen haben und behalten und ihnen die schuldige Ehre und Verehrung erweisen, nicht weil man glaubte, in ihnen sei irgendeine Gottheit oder Kraft, deretwegen sie zu verehren seien, oder weil man von ihnen irgendetwas erbitten könnte, oder weil man Vertrauen in Bilder setzen könnte, wie es einst von Heiden getan wurde, die ihre Hoffnung auf Götzenbilder setzten (vgl. Ps 135,15-17), sondern weil die Ehre, die ihnen erwiesen wird, sich auf die Urbilder bezieht, die jene darstellen, so dass wir durch die Bilder, die wir küssen und vor denen wir das Haupt entblößen und niederfallen, Christus anbeten und die Heiligen, deren Bildnis sie tragen, verehren.

#1825 Quod si aliquando historias et narrationes sacrae Scripturae, cum id indoctae plebi expediet, exprimi et figurari contigerit: doceatur populus, non propterea divinitatem figurari, quasi corporeis oculis conspici, vel coloribus aut figuris exprimi possit.

Sollte es aber einmal geschehen, dass die Geschichten und Erzählungen der heiligen Schrift, wenn dies dem ungelehrten Volke nützt, dargestellt und abgebildet werden, so soll das Volk belehrt werden, dass die Gottheit nicht deswegen abgebildet werde, weil sie mit den Augen des Leibes erblickt oder durch Farben oder Figuren dargestellt werden könnte. Ferner soll jeder Aberglaube bei der Anrufung der Heiligen, der Verehrung der Reliquien und dem heiligen Gebrauch der Bilder beseitigt, … ausgeschaltet werden…

Man glaube aber nicht, die ikonodule Haltung sei typisch für die Reformatoren! Hier gibt es auch Ikonoklastisches:

Heinrich Bullinger (1504–1575), in: Das Zweite Helvetische Bekenntnis / Confessio Helvetica Posterior (1566), übers. von Walter Hildebrandt und Rudolf Zimmermann, Zürich 1966

Weil nun Gott unsichtbarer Geist und unendlichen Wesens ist, kann er auch nicht durch irgendeine Kunst oder ein Bild dargestellt werden; deshalb scheuen wir uns nicht, mit der Heiligen Schrift bildliche Darstellungen Gottes lauter Lug und Trug zu nennen. Wir verwerfen daher nicht bloß die heidnischen Götzenbilder, sondern auch Bilder, die von Christen verehrt werden. Denn obschon Christus menschliches Wesen angenommen hat, hat er das nicht deshalb getan, um Bildhauern und Malern als Modell zu dienen. Er hat gesagt, er sei nicht gekommen, Gesetz und Propheten aufzulösen (Mt. 5,17). Im Gesetz und in den Propheten werden aber Bilder verboten (5.Mose 4,16 und 23; Jes. 40,18ff.). […]

Damit aber die Menschen im Glauben unterwiesen und über göttliche Dinge und ihre Seligkeit belehrt würden, hat der Herr befohlen, das Evangelium zu predigen (Mk. 16,15), aber nicht zu malen oder mit Malerei das Volk zu lehren; er hat auch die Sakramente eingesetzt, aber nirgends Bilder verordnet. Wir mögen aber unsere Blicke hinwenden, wohin wir wollen, so begegnen uns lebendige und wahre Geschöpfe Gottes, die, wenn sie beachtet würden, wie es billig wäre, den Betrachter weit mehr ergreifen müssten, als alle von Menschen geschaffenen Bilder oder ihre nichtssagenden, unbeweglichen, matten und toten Bildgestalten, ...

Das Problem der Unabbildbarkeit bzw. der Visualisierung des nicht Sehbaren stellt sich besonders in illustrierten Bibeln bei Szenen, wo Gott handelnd auftritt.

Gott als Schöpfer >>>

Gott im brennenden Dornbusch >>>

Die Vision von Ezechiel >>>

Gott als Wolke (oder in einer Wolke verborgen) >>>

Eine besondere Darstellungart: die Hand aus Wolken >>>

Entfernung von anthropomorphen Darstellungen >>>

Epilog: Augustin und der Knabe

Es gibt keine lineare historische Abfolge vom menschengestaltig dargestellten Gott zu einem ›vergeistigten‹ Gottesbild. In früheren Darstellungen finden sich bereits abstrakte Gottesbilder, und in späten kommt noch der bärtige Mann vor. Aus diesem Grunde sind die Beispiele hier nicht nach Typen sortiert, sondern einfach chronologisch dargeboten.

>>> Forschungsliteratur zum Thema

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Erste Beispielreihe: Gott als Schöpfer

Man kann anhand der Ikonographie der Schöpfung (Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde Genesis 1,1ff.) eine Reihe bilden: Gott als gütiger älterer Mann — eine in einer Lichtergloriole aufgelöste Gottesgestalt — das Tetragramm JHWH* in einem Strahlenkranz oder in einem Dreieck (für die Trinität) — die Gottheit ist nur im natürlichen Sonnenlicht präsent.

*Tetragramm (aus griechisch vier + Buchstaben) nennt man die vier Konsonanten JHWH, die in der hebräischen Bibel tausende Male für Gott stehen; am prominentesten an der Stelle wo er dem Volk Israel die Zehn Gebote verkündet und vorher sagt »Ich bin JHWH, dein Gott (Elohim), der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt habe« (Exodus = 2.Mos. 20,2). Weil den Namen Gottes auszusprechen ab dem 2. Jahrhundert CE tabuisiert war und ist, wurden die vier Konsonanten in der hebräischen Schrift nicht vokalisiert; man weiß also gar nicht, wie der Name lautete. Beim Lesen der Bibel sprach und spricht man ein Ersatzwort aus. Durch Kombination der Konsonanten des Tetragramms j-h-w-h mit den Vokalen ä-o-a des Ersatzwortes ädonaj (›Herr‹) entstand im Mittelalter das (unbiblische) Jehova, das wir (allenfalls) aus Kirchenliedern kennen.

Bob Becking, Artikel JHWH in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/22127/

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Deus geometra

Ein frühes Beispiel ist die Darstellung von Gott als Weltenschöpfer in der Bible moralisée (ÖNB Cod. 2554) aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts)

Quelle: http://fr.wikipedia.org/wiki/Bible_moralisée_de_Vienne_2554 (<14.02.2015>; public domain)

Literatur hierzu: Friedrich Ohly, Deus geometra. Skizzen zur Geschichte einer Vorstellung von Gott [1982], wieder abgedruckt in F.O., Ausgewählte und neue Schriften, hg. U. Ruberg / D. Peil, Stuttgart/Leipzig: Hirzel, 1995, S. 555–598.

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Der Schöpfer als Mann in zeitgenössischer Tracht

Ich lob dich schöpffer der natur
    Vnd wunder mich der Creatur/
Die du auß nichten hast gebildt
    Dabey ich brüf dein macht vnd milt/

[…]

Das Büchle Memorial, das ist ain angedänckung der Tugend / von Johannsen vonn Schwartzenberg ... mit Figuren vnd reumen gemacht, Augsburg 1534; hier nach der Auflage Anno M.D.XXXX; fol. CXXIr.

Vgl.: Lucas Cranach d. Ä. (1530): Paradies <14.02.2015>

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Gottvater anthropomorph im Strahlen-Nimbus

 

Holzschnitt siginiert von Anton Woensam von Worms, aus der katholischen deutschen Bibel 1534:
Biblia / beider Allt vnnd Newen Testamenten / fleissig / treülich vnd Christlich / nach alter / inn Christlicher kirchen gehabter Translation / mit außlegung etlicher dunckeler ort / vnnd besserung viler verrückter wort vnd sprüch / so daß anhere inn andernn kurz außgangnen theutschen Bibeln gespürt vnd gesehen. Durch D. Johan Dietenberger / new verdeutscht / Gott zur ewiger ehre / vnd wolfarth seiner heiligen Christlichen Kirchen. Mit Röm. Köngl. Ma. Gnad vnd Freyheyt, Gedruckt zu Meyntz Im jar nach Christi Gepürt XVC. XXXIIII.
> https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00085341

 

Johann Hoffer, Icones Catecheseos, Et Virtvtvm Ac Vitiorum illustratae numeris. […] , Wittenberg: Krafft, Johann d.Ä. 1560.
> http://diglib.hab.de/drucke/yv-1324-8f-helmst/start.htm

Holzschnitt von Jost Amman (1539–1591)

Neuwe Biblische Figuren/ deß Alten und Neuwen Testaments/ geordnet vnd gestellt durch den fürtrefflichen vnd Kunstreichen Johan Bocksbergern von Saltbzurg/ den jüngern/ vnd nachgerissen mit sonderm fleiß durch den Kunstverstendigen vnd wohlerfahrenen Joß Amman von Zürich. Allen Künstlern/ als Malern/ Goltschmiden/ Bildhauwern/ Steinmetzen/ Schreinern/ &c fast dienstlich vnd nützlich. Getruckt zu Frankckfurt am Mayn/ durch Georg Raben/ Sigmund Feyerabend/ vnd Weygand Hanen Erben M.D.LXIIII. (1564)

 

Caij Plinij Secundi / Des furtrefflichen Hochgelehrten Alten Philosophi / Bücher und schrifften / von der Natur / art vnd eigenschafft der Creaturen oder Geschöpffe Gottes […] auß dem Latein verteutscht durch M. Johannem HEYDEN / Eifflender von Dhaun […] auß allerley andern Scribenten, damit die Beschreibung der Natur aller vermeldten Geschöpff Gottes bezeuget, vnd als gewiß erfahren für Augen gestellt wirt […] Frankfurt: Sigmund Feyerabend 1565.
(Der Druckstock ist einer illustrierten Bibel entnommen [welcher?], erscheint nun aber in einem ›naturkundlichen‹ Werk.)
> https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10140858_00101.html

 

Thesaurus sacrarum historiarum Veteris Testamenti elegantissimis imaginibus expressus excellentissimorum in hac arte virorum opera, nunc primum in luce editus sumptibus atque expensis Gerardi de Jode... [Antwerpen]: Sumptibus atque expensis Gerardi de Iode [1509–1591] 1585.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k317002h

 

Hermann Heinrich FREY, Therobiblia. Biblisch Thierbuch, darinne alle vierfüßige, zahme, wilde, gifftige und kriechende Thier, Vogel vnd Fisch … beschrieben sind, Leipzig 1595.

 

Kupferstich von Melchior KÜSEL (1626–1683) aus: Icones Biblicae Veteris et Novi Testamenti. Figuren Biblischer Historien Alten und Neuen Testaments – Proprio aere aeri incisae, et venales expositae a Melchiore Kysel, Augustano. Impressum: Augustae Vind. anno Christiano XDCLXXIX (1679)

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Gott als diaphane Gestalt

Liber Genesis Æreis formis a Crispin Passaeo expressus versebusque tam latinis quam Germanicis ornatus, sententijs item ex ss. Patribus desumptis per R.D. Guilielmum Salsmannun … Cleuie [Kleve, Germany] : Apud Iacobum A. Biesen bibliopolam 1629. [Erster Druck 1612, Stecher: Crispijn van de Passe, ca. 1565–1637]
> https://archive.org/details/libergenesisaere00pass/page/n15/mode/2up


Wolfgang FRANZ, Historia Animalium, In quâ plerorumqve Animalium præcipuæ proprietates … accommodantur, Editio Sexta, Wittenberg 1659.

In der Neuauflage 1665 sind die anthropomorphen Reste verschwunden und durch das Tetragramm ersetzt:

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Das Tetragramm JHWH in einer Gloriole

[Christoph Murer zugeschrieben, aber nicht signiert] Biblia: Das ist/ Alle Bücher Alts vnd Newes Testaments: den vrsprünglichen sprachen nach auff das trewlichst verteütschet/ vnnd jetzt von newem wider vbersehen. … Getruckt zuo Zürych bey Johannes Wolffen. Jm Jar M.D.XCVII. [im Kolophon 1596]

 

[Mit CM signierter Holzschnitt von Christoph Murer (1558–1614); geschnitten von Meister LFM, Formschneider; in:] Novae Sacrorum Bibliorum figurae versibus Latinis et Germanicis expositae. Das ist, Newe Biblische Figuren mit Latinischen und Teutschen versen außgelegt ... / Dem gemeinen Mann und der lieben Jugendt zur anreitzung wahrer Gottseligkeit ... an tag gegeben, Durch M. Samuelem Glonerum Poetam Laureatum, Straßburg/ Getruckt bey Christoff von der Heyden. M. DC. XXV. [1625]; wiederverwendet in einer Bibel Basel: König 1701.

 

Icones biblicæ præcipuas sacræ scripturæ historias eleganter & graphice repræsentantes. Biblische Figuren/ darinnen die Fürnembsten Historien/ in Heiliger und Göttlicher Schrifft begriffen/ Gründtlich und Geschichtsmessig entworffen/ zu Nutz und Belustigung Gottsförchtiger und Kunstverständiger Personen artig vorgebilget [sic] / an Tag gegeben durch Matthaeum Merian von Basel. Mit Versen vnd Reymen in dreyen Sprachen gezieret vnd erkläret. [Band 1:] Straßburg/ In verlegung Lazari Zetzners Seligen Erben [1625; datiert nach der Vorrede Merians, S.9]

 

Theatrum biblicum: hoc est historiae sacrae veteris et novi testamenti tabulis aeneis expressae. Opus praesentatissimorum huius ac superioris seculi pictorum atque sculptorum, summo studio conquisitum et in lucem editum per Nicolaum Johannis Piscatorem, 1639 u nd Neuauflagen bis 1674

 

Johann Ulrich Kraus (1655–1719), Historische Bilder-Bibel, welche besteht in Fünff Theil … gezeichnet und in Kupffer gestochen von Johann Ulrich Krausen, Augsburg 1705.

 

Bei der Darstellung des Tohu wa-bohu (Genesis 1,1–2) ist hier der Geist Gottes vor der Schöpfung anwesend in der Bezeichnung elohim:

[Johann Ludwig Gottfried / Matthäus Merian] Historische Chronica. Oder Beschreibung der Fürnemsten Geschichten, so sich von Anfang der Welt, biß auff das Jahr Christi 1619 zugetragen. [Auflage:] Frankfurt/Main, M. Merians Erben, MDCLVII.

Anhang:

Diese Art der Darstellung findet man auch auf Bildern mit anderen Motiven, zum Beispiel hier, wo Gott Noah sagt, er solle die Arche bauen: FAC TIBI ARCAM E LIGNIS GOPHER ... (Genesis 6,14). Die Vokalzeichen unter JHWH sind die von adonai.

Cornelis Cort (1533–1578) nach Maarten van Heemskerck (1498–1574)

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Gott als Lichtstrahl

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg 1697.

Joh. Melchior Füeßli (Füssli) (1677–1736) zu Psalm 8,5: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenckest? …

in: Kupfer-Bibel, in welcher die Physica Sacra, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen, Deutlich erklärt und bewährt von Joh. Jacob Scheuchzer […]. Anbey zur Erläuterung und Zierde des Wercks in künstlichen Kupfer-Tafeln ausgegeben und verlegt durch Johann Andreas Pfeffel; Augsburg und Ulm: Ch. U. Wagner, 1733. – Tafel DXXXVII

Elias Porcelius (1662–1722) und Johann Jakob von Sandrart (1655–1698):

Gantz neue Biblische Bilder-Ergötzung: Dem Alter und Der Jugend Zur Beschauung und Erbauung/ Aus dem alten Testament angestellet und mitgetheilet: Von Johann Andreæ Endters Seel. Söhnen in Nürnberg [vor 1701].

 

Da, so im Thier= als Pflantzen=Reich, euch alles Gottes Wunder weiset;
Ach! das ihr Gott darin nicht findet, euch Sein nicht freut, ir Ihn nicht preiset!

Herrn B[arthold] H[hinrich] BROCKES (1680–1747) Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in physicalisch- und moralischen Gedichten. Sechster Theil. Nebst einer Vorrede zum Druck befördert von E. N. Brockes, Hamburg: verlegts Christian Herold, 1740.

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… und wiederum als der bärtige Mann

Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872), Die Bibel in Bildern. 240 Darstellungen, erfunden und auf Holz gezeichnet, Leipzig: Wigand 1860. Bei Wikicommons

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Zweite Beispielreihe: Moses vor dem brennenden Dornbusch (Exodus 3,1ff.)

Der Text der Vulgata besagt: Apparuitque ei Dominus in flamma ignis de medio rubi.

In der hebräischen Bibel erscheint nicht Gott, sondern ein Bote (mal’ak) von ihm: 

Im Gegensatz zur Vulgata schreiben Texte der Vetus Latina: Et apparuit ei angelus in flamma ignis de rubo. (Pierre Sabatier, Bibliorum Sacrorum latinae versiones antiquae, tomus primus, 1743, S. 140)

Die protestantischen Übersetzer basieren auf dem hebräischen Text:

Zürcher Bibel 1531: Mose aber hüetet der schaf Jethro seynes schwagers des priesters in Midian/ und treib die schaaff hindersich in die wüeste/ und kam an den berg Gottes Horeb. Und der engel des HERRN erscheyn jm in einer fheürigen flammen auß dem pusch. Unnd er sahe das der pusch mit fheür bran/ und ward doch nit verzeert/ und sprach: Jch wil da hin/ und besehen diß groß gesicht/ warumb der pusch nit verbrünne. Do aber der HERr sahe/ das er hinweg gieng zuo sehen/ ruofft jm Gott auß dem pusch/ und sprach: Mose/ Mose. Er antwurtet: Hie bin ich. Er sprach: Tritt nit hiehär/ zeüch deine schuoch auß von deinen füessen/ dann das ort da du auff staast/ ist ein heilig land. Und sprach weyter: Jch bin der Gott deines vatters/ der Gott Abrahams/ der Gott Jsaacs/ und der Gott Jacobs. Und Mose verdackt sein angsicht: dann er forcht sich Gott anzesehen.

Luther 1545: MOse aber hütet der schafe Jethro seins Schwehers / des Priesters in Midian / vnd treib die Schafe enhinder in die wüsten / vnd kam an den berg Gottes Horeb. VND der Engel des HERRN erschein jm in einer fewrigen Flammen aus dem Pusch / Vnd er sahe / das der Pusch mit fewr brandte / vnd ward doch nicht verzeret / Vnd sprach / Jch wil dahin / vnd besehen dis gros Gesicht / warumb der Pusch nicht verbrennet. Da aber der HERR sahe / das er hin gieng zu sehen /rieff jm Gott aus dem Pusch / vnd sprach / Mose /Mose. Er antwortet hie bin ich. Er sprach / Trit nicht herzu / zeuch deine schuch aus von deinen Füssen /Denn der Ort / da du auffstehest / ist ein heilig land.

Die Illustration von Gerard Hoet (1648–1733) gibt genau diesen Text wieder, und die lateinische Übersetzung besagt dem entsprechend: Angelus Domini conspiciendum se præret Mosi in rubio.

Taferelen der voornaamste geschiedenissen van het Oude en Nieuwe Testament, En andere boeken, bij de heilige schrift gevoegt, door de vermaarde kunstenaars Hoet, Houbraken, en Picart getekent, en van de beste meesters in koper gesneden, en met beschrijvingen uitgebreid. ’s Graavenhaage: Pieter de Hondt 1728.

Die Bildunterschrift hier macht aufmerksam auf das Zitat in der Apostelgeschichte (7,35), wo Stephanus Moses so charakterisiert: Diesen Mose, den sie verleugneten, indem sie sagten: »Wer hat dich als Obersten und Richter eingesetzt?«, den hat Gott als Obersten und Retter gesandt durch die Hand des Engels, der ihm in dem Dornbusch erschien. – In der Vulgata: cum manu angeli qui apparuit illi in rubo.

Philipp Andreas Kilian, Picturae chalcographicae historiam veteris et novi testamenti ...: in 130 Kupfertafeln = Historische Abbildungen der Geschichten Alten und Neuen Testaments, Augsburg: Koch, [1758 oder 1750]
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11198795?page=59

Aber der Engel scheint sich ikonographisch nicht überall durchgesetzt zu haben:

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Gott anthropomorph im Dornbusch

Dieric Bouts d. Ä. zugeschrieben (um 1465–1470). Zwei Szenen auf éinem Bild: Moses zieht die Schuhe aus; Gott erscheint ihm im Dornbusch. > bei Google Art Project

 

Schönsperger-Bibel 1490. (Moses erscheint gehörnt; die Vorstellung beruht auf einer falschen Übersetzung von Exodus 34,29.)

 

Die gantze Bibel / der ursprünglichen ebraischen und griechischen Waarheyt nach auffs aller treüwlichest verteütschet, Getruckt zuo Zürich bey Christoffel Froschouer, im Jar als man zalt MDXXXI (1531).

Der Holzschnitt ist ein Neuschnitt nach der Lyoner Bilderbibel von Hans Holbein d.J., die erst 1538 erschienen ist.

Digitalisat: http://www.e-rara.ch/zuz/content/pageview/5464542

 

Nicolas Chaperon (1612–1656) Radierung nach Raffael (1483–1520) in: Sacrae Historiae Acta A Raphaele Vrbin. In Vaticanis Xystis Ad Pictvrae Miracvlvm Expressa, Romae: Augustinus 1649.

Digitalisat: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/chaperon1649/
Digitalisat: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8595077w/f7.item

 

Kupferstich von Melchior KÜSEL (1626–1683) aus: Icones Biblicae Veteris et Novi Testamenti. Figuren Biblischer Historien Alten und Neuen Testaments – Proprio aere aeri incisae, et venales expositae a Melchiore Kysel, Augustano. Impressum: Augustae Vind. anno Christiano XDCLXXIX (1679)

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Der Herr ›buchstäblich‹ im Flammenkranz

Zunächst Bilder mit dem Tetragramm:

Jost Amman (1539–1591) / Heinrich Peter Rebenstock (1545–1591), Newe biblische Figuren, künstlich unnd artig gerissen durch ... Joss Ammann von Zürych; mit schönen teutschen Reimen, welche den gantzen Innhalt einer jeden Figur und Capitel kurtz begreiffen ... gestellt durch Herr Heinrich Peter Rebenstock, Pfarherr zu Eschershaim, Gedruckt zu Franckfurt am Mayn, mit röm. keys. mt. Freyheit: [Sigmund Feyerabend] 1579.
Digitalisat: http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-28756

Biblia. Das ist alle Bücher Alts und Newes Testaments/ den ursprünglichen Sprachen nach auff das trewlichst verteutschet unnd jetzt von newem wider ubersehen …, Getruckt zuo Zürych bey Johanns Rodolff Wolffen, im Jahr 1618.
Digitalisat: http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-17235

 

Sendung vnd beruff Gottes Wunterbahr.

Der Engel auß dem Busch brennend mit Fewerflammen/
    Uff dem Heiligen Berg berufft Mosen mit Nahmen/
Als er hüttet der Schaff zu seinem Volck jhn sendt/
    Daß er sie führte auß von dem Diensthauß Elendt.

Icones biblicæ præcipuas sacræ scripturæ historias eleganter & graphice repræsentantes. Biblische Figuren/ darinnen die Fürnembsten Historien/ in Heiliger und Göttlicher Schrifft begriffen/ Gründtlich und Geschichtsmessig entworffen/ zu Nutz und Belustigung Gottsförchtiger und Kunstverständiger Personen artig vorgebilget [sic] / an Tag gegeben durch Matthaeum MERIAN von Basel. Mit Versen vnd Reymen in dreyen Sprachen gezieret vnd erkläret. [Band 1] Straßburg/ In verlegung Lazari Zetzners Seligen Erben 1625; I, 83.

 

Biblisches Engel- u. KunstWerck: alles das jenige, Was in Heiliger Göttlicher Schrifft Altes und Neuen Testaments Von den Heiligen Engeln Gottes Dero Erscheinungen Verrichtungen Bottschafften u. Gesandtschafften, Auf mancherley Art und Weise auß Göttlicher Verordnung zu finden ist ... / Mit Fleiß zusammen getragen, in Kupffer gestochen und verlegt von Johann Ulrich Krausen Burger und Kupffer-Stechern In Augspurg — Historischer Bilder-Bibel Anderer theil in sich haltend die Abbildung der Historien des 2. 3. 4. 5. Buchs Mose, des Buchs Josuæ, des Buchs der Richter, des Buchs Ruth. … gezeichnet und in Kupffer gestochen von Johann Ulrich Kraussen, in Augspurg Anno MDCCV. (1705) Tafel 24.

Sum qui sum

Die Stelle geht so weiter (Exodus 3,14): Mose sprach zu Gott: Sihe/ wenn ich zu den kindern Jsrael kome/ vnd spreche zu jnen/ Der Gott ewer Veter hat mich zu euch gesand/ Vnd sie mir sagen werden/ wie heisst sein Name? Was sol ich jnen sagen? – Darauf antwortet Gott: ähjä aschär ähjä (von Hieronymus übersetzt als: Sum qui sum).

Johann Teufel (tätig 1568 – 1584) schreibt diesen Satz als ›Sprechblase‹ über den brennenden Busch:

Biblia Germanica … deudsch, Wittenberg: Hans Krafft 1572
> http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd16/content/titleinfo/993500

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Epiphanie Gottes als reine Flamme

 

Jm feurigen Bosch der HErr erschin/
Ruft Mose: leg dein Schuh dahin:
   Dan heilig ist dis Land vnd ort/
   Beim Volk vnd Pharao thu mein wort.
   Mosis wort weißt auf Christum fort.

Tobias Stimmer, Neue Künstliche Figuren Biblischer Historien/ grüntlich von Tobia Stimmer gerissen: Vnd zu Gotsförchtiger ergetzung andächtiger Hertzen mit artigen Reimen begriffen durch J. F[ischart]. G M., Zu Basel bei Thoma Gwarin 1576.

 

Im Hintergrund: die Plagen der Israeliten in Ägypten (Exodus 3,7ff.), vgl. den Obelisk. Steht der abgesägte Baum symbolisch für die Taten, mit denen der Herr Ägypten strafen wird (Exod 3,20)?

Matthias Scheits (* um 1625/1630 bis um 1700) in: Biblia, Das ist: Die gantze H. Schrifft Alten und Newen Testaments/ Deutsch/ […] Auch durchgehends mit Kupffern gezieret, Lüneburg: Sterne 1672.
> http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd17/content/titleinfo/12189849

 

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Regensburg: Weigel 1697.


Als Mosen sich der HErr im Flammen-Busch ließ hören.
entschuhte Mose sich / das heilig Land zu ehren.
Der Ort / wo GOttes Ehr / und seiner Gnade Schein
erscheinen / muß von uns nicht unbeehret seyn.

Gantz neue Biblische Bilder-Ergötzung: Dem Alter und Der Jugend Zur Beschauung und Erbauung/ Aus dem alten Testament angestellet und mitgetheilet: Von Johann Andreæ Endters Seel. Söhnen in Nürnberg [vor 1701].

Aus dem Vorwort: Der seel. Herr Johann Jacob von Sandrart [1655–1698] ... hat davon die mehristen Risse erfunden und gezeichnet; Herr Elias Porzelius [1662–1722] ... hat solche in Holz geschnitten; und der bekannte Herr Christof Adam Negelein [1656–1701] ... hat diese Geschicht-Bilder mit Versen ... beleuchtet.

Derselbe Holzschnitt wiederverwendet in: Biblia, Das ist: Die ganze Heilige Schrifft deß Alten und Neuen Testaments, ... von Martin Luther. Samt einer Vorrede von Johann Michael Dilherr. Nürnberg, Endter 1747.
> http://digital.slub-dresden.de/ppn328213144

 

Zieh Moses aus den Schu und ehr den Gott der Götter
    Er mischt sich in den Brand des Feuer Pusches ein
drauf gehe hin, nach Hof, beherzter und beredter
    die Flamme wird ein Licht zu deinen Reden seyn.

Die Schlange am Boden bezieht sich auf Exodus 4,2ff: Der zur Erde geworfene Stab wird zur Schlange und wieder zu einem Stab.

Historiae celebriores Veteris (et Novi) Testamenti iconibus repraesentatae et ad excitandas bonas meditationes selectis Epigrammatibus exornatae, Nürnberg, Chr. Weigel 1712.

 

Kupfer-Bibel, in welcher die physica sacra, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen, Deutlich erklärt und bewährt von Joh. Jacob Scheuchzer […]. Anbey zur Erläuterung und Zierde des Wercks in künstlichen Kupfer-Tafeln ausgegeben und verlegt durch Johann Andreas Pfeffel; Augsburg und Ulm: Ch. U. Wagner, 1731–1735. — Tafel CXVII (Umrandung weggelassen)

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Dritte Beispielreihe: Die Vision des Ezechiel

Ezechiel (Hesekiel) 1, 1 Es geschah im dreißigsten Jahr, am fünften Tag des vierten Monats, als ich unter den Verschleppten am Fluss Kebar lebte, da öffnete sich der Himmel und ich hatte eine Vision Gottes (’ælohîm).

Die Szene wurde häufig illustriert. (Das in der Vision Gesehene – der Tetramorph – interessiert hier nicht; vgl. dazu > http://www.symbolforschung.ch/tetramorph.html )

Raffael (1483–1520):

Man beachte den die Vision empfangenden Ezechiel unten links! (Bild bei Wikipedia)

Hans Holbein der Jüngere (1497–1543):

Historiarum Veteris instrumenti icones ad vivum expressaæ ... Lugduni [Lyon] M.D.XXXVIII. (1538)

Melchior Küsel:

Icones Biblicae Veteris et Novi Testamenti. Figuren Biblischer Historien Alten und Neuen Testaments 1679.

Christoph Weigel:

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, ... 1697.

 

Es gibt aber bereits früh Darstellungen ohne anthropomorphen Gott:

Richard de Verdun, BNF Fr 157 Bible historiale complétée (1320/40), Fol.89r
> gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8449721j/f181.item

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Gott als Wolke (oder in einer Wolke verborgen)

An mehreren Bibelstellen zeigt sich Gott in einer oder als Wolke.

Nach Exodus 13,21 zog Gott tagsüber in einer Wolkensäule vor seinem Volk her, um ihm den Weg durch die Wüste zu zeigen:

aus: Kupfer-Bibel, in welcher die Physica Sacra, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen, Deutlich erklärt und bewährt von Joh. Jacob Scheuchzer […]. Anbey zur Erläuterung und Zierde des Wercks in künstlichen Kupfer-Tafeln ausgegeben und verlegt durch Johann Andreas Pfeffel; Augsburg und Ulm: Ch. U. Wagner, 1733. Tafel CL

Exodus 19,16 (Lutherbibel 1545) ALS nu der dritte tag kam / vnd morgen war /Da hub sich ein donnern vnd blitzen / vnd ein dicke wolcken auff dem Berge / vnd ein dohn einer seer starcken Posaunen / Das gantz Volck aber das im Lager war / erschrack. Vnd Mose füret das Volck aus dem Lager / Gott entgegen / Vnd sie traten vnten an den Berg. Der gantz berg aber Sinai rauchet /darumb das der HERR erab auff den Berge fure mit fewr / Vnd sein Rauch gieng auff / wie ein rauch vom ofen / das der gantze Berg seer bebete

Bild von Matthias Scheits in der Bibel Lüneburg: Sterne 1672
> https://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd17/content/titleinfo/12189849

passend zur Stelle 20,4 Du solt dir kein Bildnis noch jrgend ein Gleichnis machen / weder des das oben im Himel / noch des das vnten auff Erden / oder des das im Wasser vnter der erden ist.

 

Exodus 33,9 Sobald Mose das Zelt betrat, ließ sich die Wolkensäule herab und blieb am Zelteingang stehen. Dann redete der Herr mit Mose.

Nicolas Chaperon (1612–1656 (Radierungen nach Raffael 1483–1520) in: Sacrae Historiae Acta A Raphaele Vrbin. In Vaticanis Xystis Ad Pictvrae Miracvlvm Expressa, Romae: Augustinus 1649.
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/chaperon1649/

 

Exodus 40,4: Nachdem Moses die Lade des Gesetzes im Zelt verhüllt und weitere rituelle Handlungen vollzogen hat, bedeckte die Wolke das heilige Zelt, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Wohnung.

[Bild Jean Cousin d. J. (1522-1595) zugeschrieben] Figures de la Saincte Bible accompagnées de briefs discours, contenans la plus grande partie des histoires sacrées du vieil et nouveau Testament, 1596. Hier aus der Ausgabe Paris 1614.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b86207594/f7.image

 

Numeri (4. Buch Mose) 12,1: Und Mirjam und Aaron redeten wider Mose um seines Weibes willen, der Mohrin, die er genommen hatte, […] 5: Da kam der HERR hernieder in der Wolkensäule und trat in der Hütte Tür und rief Aaron und Mirjam; und die beiden gingen hinaus. (vgl. Luther 1545)

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg 1697.

 

Matthäus-Evangelium 17: Jesus führt Petrus, Jakobus und Johannes auf einen Berg; dort wird er verklärt, und es erscheinen ihnen Moses und Aaron, die reden mit ihm. Dann (Vers 5) da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören! 6 Da das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.

Bernard Picart inv. / Abraham de Blois sc. in: Taferelen der voornaamste geschiedenissen van het Oude en Nieuwe Testament, En andere boeken, bij de heilige schrift gevoegt, door de vermaarde kunstenaars Hoet, Houbraken, en Picart getekent, en van de beste meesters in koper gesneden, en met beschrijvingen uitgebreid. ’s Graavenhaage: Pieter de Hondt 1728.

 

Literaturhinweis: Karl-August Wirth, Artikel "Feuersäule (Wolkensäule, Lichtsäule)", in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. VIII (1983), Sp. 422–498;
> https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89101

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Eine Hand aus Wolken

Sowohl die Metapher der Hand als auch diejeinge der Wolken können biblisch für Gott stehen. Einige Beispiele:

vgl. Andreas Wagner, Artikel »Hand (AT)«, (2007), in: Lexikon Bibelwissenschaft.

 

Meister Bertram: Jesu Gebet am Ölberg (Matthäus 26,36ff.), nach 1383.
> Hanspeter Landolt, Die deutsche Malerei, Band I, Genf: Skira 1986, S. 32.

 

Hartmann Schedel (1440–1514) konzentriert die Gestalt des Schöpfers auf einen Handgestus.

Vom werck des vierden tags. Liber cronicarum cum figuris et imaginibus ab initio mundi, auctore Hartmanno Schedelio, Nürnberg: Koberger 1493. Bei Wikisource

 

Nachdem Moses Wasser aus dem Felsen geschlagen hat (hinten im Bild), wird er vom Herrn bezichtigt, es habe ihm an Glauben gefehlt (4.Mos. 20,12ff.) – eine schwer zu deutende Stelle:

Johannes Saubert, Icones Precantivm, Das ist: Christliche Figuren/ zur Gebetstund angesehen : in welchen die Exempla der rechtschaffnen Beter vnd Bußfertigen Hertzen auß heiliger Schrifft abgemahlt/ vnd zur Erweckung grösserer Andacht vor Augen gestellt werden/ .. Gedruckt zu Nürnberg Jn Verlegung Wolffgang Endters, Anno Christi M.DC.XXIX.
> https://digital.ub.uni-leipzig.de/object/viewid/0000012897

 

Moses empfängt die Gesetzestafeln Exodus 31,18: Und da der HERR ausgeredet hatte mit Mose auf dem Berge Sinai, gab er ihm zwei Tafeln des Zeugnisses; die waren beschrieben mit dem Finger Gottes.

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Regensburg: Weigel 1697.

In der Emblematik ist diese Darstellung beliebt:

Wenn man wird müd in dem Gebet/
   Und byenah nchgelassen het
So sterket GOtt der HERR den Muth/
   Und erst den seine helffen thut.
Darumb sol man nicht lassen nach/
   Mit beten/ flehen/ Nacht vnd Tag,
Denn GOtt gewißlich kömpt zu hand/
   Und mcht vns seine Hülff bekandt.

Georgette de Montenay: Georgiae Montaneae, nobilis Gallae, Emblematum Christianorum centuria. Cum eorundem Latina interpretatione. Cent emblemes chrestiens de Damoiselle Georgette de Montenay. Lyon, Jean Marcorelle pour Philippe de Castellas, 1571; deutsche Übersetzung aus der Ausgabe 1619.

 

IN MANU DOMINI SUNT FINES TERRÆ – In der Hand Gottes ruhen die Gebiete der Welt

In der Hand Gottes befindet sich der Angelpunkt, um den sich die Erde dreht, und er umfasst die äußersten Enden mit mit seinen Fingern.

Gabriel Rollenhagen / Crispin de Passe, Nucleus Emblematum, Band II, Arnheim/Utrecht 1613, Nr.52

 

NEMO NISI DEXTRA JEHOVÆ (Psal. LXXVII)

Des HERREN Händ
Alln schaden wend.

Ein zbrochen Gfäß ligt auff der Erd/
Zeigt an die Trübsal vnd Beschwerd
Den wir all vnterworffen seyn/
Wegen der Sünden groß und klein.
Wenn gleich der Atrzt an vns flickt lang/
Müssn wir doch zletzt den gmeinen Gang.
Hie mag iemand rectificirn/
Die Hand die muß recuperirn.
Fünff Finger sihst du an der Händ/
Der erst der wird der Grecht genennt/
Unwandelbar der ander heist/
Sein Weißheit dir der dritte weist/
Sein Wunder der vierdt zeiget an/
Der Fünfft sein Stärk/ weist was der kan.
Wenn du nun Creutz vnd Trübsal hast/
Vnd dein Gott dir aufflegt ein Last/
Denck an die rechte Hand allezeit/
Er ist zu helffen mit bereit.

Johann Mannich, Sacra Emblemata LXXVI In Quibus Summa Unius Cuiusq[ue] Evangelii Rotunde Adumbratur das ist Sechsundsibentzig Geistliche Figürlein, in welchen eines jeden Evangelii Summa Kürtzlichen wird abgebildet, Norimbergae: Sartorius, 1624
> http://diglib.hab.de/drucke/389-1-theol-1s/start.htm?image=00003

 

Wir menschen GOTTES müntze sind:
Die ER verlohr; und wieder find.

Aus dem Gesänglein (S.134):

Gedenk/ HErr! an dein Ebenbild/
   das in mein Hertz gebräget.

[…] Mein Hertz hält Dir dein Bildniß vor/
   das Du tieff eingedrukket
[…]

Johann Michael Dilherr, Augen- und Hertzens-Lust. Das ist/ Emblematische Fürstellung der Sonn- und Festtäglichen Evangelien: In welcher zu finden Erstlich/ der Inhalt der Evangelien; Zum Andern/ die fürnehmste darinnen enthaltene Lehren; Zum Dritten/ ein darauf gerichtetes Gebethlein; Zum Vierdten ein Lied/ so auf das Evangelium/ und auf das Emblema/ oder Sinnbild/ gerichtet, [Nürnberg]: Endter 1661; S. 131
> http://digital.slub-dresden.de/id379774372/1

Mehr zur Symbolik der Hand hier: http://www.symbolforschung.ch/Haende.html

 

So kan der Himmel leicht aus Unglücks Ketten
Und aus dem Labyrinth der Noth erretten.

Helden-Liebe der Schrifft Alten und Neuen Testaments Zweyter Theil: ebenfalls in 16. anmuthigen Liebes-begebenheiten mitbeygefügten Curieusen Anmerckungen/ Poetischen Wechsel-Schrifften/ und darzu gehörigen Kupffern vorgestellet und ausgearbeitet nach der Art Herrn Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen, Leipzig: Gleditsch und Weidmann 1711. (Autor: Georg Christian Lehms 1684–1717) Bei S. 146 – zur Geschichte von David und Michal (1.Samuel 19).

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Entfernung von anthropomorphen Darstellungen

Einige Graphiker haben bei der Überarbeitung von Bildern mit der Nichtdarstellbarkeit Ernst gemacht:

Erstes Beispiel: Die Schöpfung

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562), Biblische Figuren des alten vnd Newen Testaments gantz künstlich gerissen durch den weitberühmten Vergilium Solis zu Nürnberg, Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ durch Dauid Zephelium/ Johan Raschen/ vnd Sigmund Feyerabent 1560.
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00024572?page=1

In der mit Luthers Text im gleichen Verlag im selben Jahr gedruckten Vollbibel ist Gottvater ersetzt durch eine Strahlenwolke mit den Inschriften JHWH – ΘΕΟΣ – DEVS:

Biblia Das ist die gantze Heylige Schrifft, Teutsch; sampt einem Register und schönen Figuren, Frankfurt am Main: D. Zepehlius / Joh. Rasch / S. Feyerabend 1560.
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/Reformationsdrucke/content/pageview/3361437

 

Zweites Beispiel: Die Vision von Ezechiel

Matthäus Merian: Icones biblicæ præcipuas sacræ scripturæ ... 1625

Auf dem (wie üblich seitenverkehrten) Nachstich ist der anthropomorphe Gott weggelassen:

Afbeeldingen der voornaamste Historien, soo van het Oude als Nieuwe Testament, door verschiede van de gestrykste en vermaardste tekenaars en plaatsnyders seer konstig afgebeeld: […]. Amsterdam: Nicolaus Visscher (nach 1679).

 

Drittes Beispiel: Die Erschaffung von Eva

Claude-Oronce Finé de Brianville, Histoire sacrée en tableaux, pour Monseuigneur le Dauphin, avec leur explication suivant le texte de l'écriture, et quelques remarques chronologiques, 2 Tle. Paris, Charles de Sercy, 1670.

Der Augsburger Kupferstecher und Verleger Josef Samuel Edel kopierte 1693 hauptsächlich nach Sébastien LeClercs Bibelradierungen für Brianville (1670), hier die Erschaffung Evas, die Gottesdarstellung durchs Tetragramm (mit der Vokalisierung von Adonai) ersetzt:

Abbildung Der Vornemsten Biblischen Historien Alten [und Newen] Testamentes zu finden bey Jos. Sam. Edel. 1693.

Bereits in der sog. Feyerabend-Bibel (Frankfurt 1583) wird Gott nicht anthropomorph dargestellt:

 

Viertes Beispiel: Die Offenbarung an Moses am Sinai (Exodus 19):

Zürcher Bibel 1531 (Kopie des Holzschnitts von Hans Holbein)

Christoph Murer (1558–1614) in der Bibel Getruckt zuo Zürych bey Johannes Wolffen. Jm Jar M.D.XCVII. [im Kolophon 1596]

 

Fünftes Beispiel: Jakob sieht in einem Traum eine Leiter *, die auf der Erde steht und bis in den Himmel reicht und auf der Engel auf- und niedersteigen, ohne eine Botschaft zu bringen. Zuoberst steht der Herr. (1.Moses 28,10 ff.) – (* Das nur hier vorkommende hebräische Wort wird in den frühen deutschen Bibeln mit Leiter übersetzt, und die Bildtradition hält sich meist daran)

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562), Biblische Figuren des alten vnd Newen Testaments gantz künstlich gerissen durch den weitberühmten Vergilium Solis zu Nürnberg, Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ durch Dauid Zephelium/ Johan Raschen/ vnd Sigmund Feyerabent 1560.
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00024572?page=1

Christoffel van Sichem II (1581–1658, vgl. das Monogramm CVS) in: Bybels Lusthof, ofte Twee Hondert en Veertig, zoo Historien als Leeringen des Bybels; uyt het Oude en Nieuwe Testament, met de Schriftuurplaatsen daar toe dienende. Gesneeden door de beroemde Meester Christoffel van Sichem. En verrykt met Vaersen door B. Blens. Zeer nuttig voor de Jeugt, en in de Bybelsche Geschiedenissen ervaren te werden. [hier aus der Amsterdam: Jan Klooster, 1743 erneut 1754]

Dank für mehrere Hinweise auf die Bilder an Andreas M. in B.

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Anhang: Ein Exemplum betont die Unerkennbarkeit

Halt an mein Augustin: Eh du wirst Gott ergründen/
Wird man das gantze Meer in einem Grüblein finden.

Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann IV, 22

Man erzählt vom Kirchenvater Augustinus (354–430), dass er einmal während eines Spaziergangs am Meeresufer in großer Ratlosigkeit nach einer Erklärung für die Lehre von der Trinität suchte. Da bemerkte Augustinus, wie ein kleiner Junge mit einer Muschel Wasser aus dem Meer schöpfte und es dann in ein Loch goss, das er im Sand gegraben hatte. »Was machst du denn da, mein Kind?«, fragte er ihn. Darauf sagte der Knabe: »Ich schöpfe das Meer aus und gieße es in dieses Loch.« — Variante I: Augustinus lächelte und musste sich sagen: »Das ist eine Lektion, die der Herr mich lehrt. Versuche ich nicht dasselbe?« — Variante II: Augustinus schalt den Jungen einen Narren, der aber stand auf und sagte: »Du glaubst klüger zu sein; Du meinst mit deinem Verstand die Ewigkeit begreifen zu können.«

LEgitur, quod quidam magister theoloye in tam solempni disputacione ambulauit uolens totum esse sancte trinitatis funditus perunctare. Transiens iuxta mare tandem uidit quendam puerum pulcherrimum sedentem foueam pede fodentem. Facta fouea hausit cum cocliari aquam ex mari fundens in foueam. Quesiuit ergo sanctus Augustinus, quid faceret. Puer inquit: Uolo totum mare in hanc foueam fundere et conprehendere in illa. Ait magister, quod esset inpossibile hoc fierei. Dicit puer: Multo impossibilius est totam trinitatem tuo intellectu, quae incomprehensibils ist, niteris conprehendere.

Text bei: Joseph Klapper, Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und lateinischem Urtext, Breslau 1914, Nr. 23. – Im Hintergrund dürfte stehen Jesaja 40,12 Quis mensus est pugillo aquas, et cælos palmo ponderavit? (Vg.) Wer misst das Meer mit der hohlen Hand? Wer kann mit der ausgespannten Hand den Himmel vermessen? Wer misst den Staub der Erde mit einem Scheffel? Wer wiegt die Berge mit einer Waage und mit Gewichten die Hügel? (Einheitsübersetzung)

 

Wolf Traut (1518) > http://www.zeno.org/nid/20004334612

 

British Library Add MS 34294 = The Book of Hours, known as the ›Sforza Hours‹ (1490–1521), Fol. 199v.
http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Add_MS_34294

 

Sanctorum et Martyrum Christi Icones quaedam artificiosissimae: = Der heiligen und Martirer Gottes künstliche Bildtnussen, Franc[ofurti]: Egenolphus 1551
> https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00038516

 

In seiner Neuausgabe von Cesare Ripas »Iconologia« gibt J. G. Hertel (1700–1775) den Personifikationen Szenen bei, die denselben Begriff als Exemplum wiedergeben.

Der Begriff Deitas / Gottheit wird einerseits mit dem Tetragramm in einer Gloriole veranschaulicht; die sieben zur Erde tropfenden Flammen mögen die Sieben Gaben des Heiligen Geistes bedeuten.

Dazu kommt die Illustration der Exempel-Geschichte für die Unerkennbarkeit Gottes: Augustinus wolt ergründen, waß niemand weiß außzufinden.

Des berühmten Italiänischen Ritters, Cæsaris Ripæ, allerleÿ Künsten, und Wissenschafften, dienlicher Sinnbildern, und Gedancken, Welchen jedesmahlen eine hierzu taugliche Historia oder Gleichnis beÿgefüget. dermahliger Autor, und Verleger, Joh. Georg Hertel, in Augspurg [ca. 1760].

Eine ältere Version bezieht sich nicht auf Augustinus, sondern auf Alanus ab Insulis († 1202/3). Sie ist überliefert in Handschriften [?] und Frühdrucken, als Prohemium zu »Doctrinale altum seu liber parabolarum Alani«:

Als Meister Alanus sich das gesamte Wissen der Sieben Freien Künste und vieler anderer Wissenschaften erworben hatte und er als Lehrer und Prediger in Paris zu großem Ruhm gelangt war, kam es ihm eines Tages in den Sinn, in einem öffentlichen Vortrag über das Wesen der Trinität zu sprechen. Und als er am Tage zuvor sich am Ufer der Seine erging, ganz in Gedanken versunken, wie er dieses Thema behandeln solle,

da sah er plötzlich vor sich einen Knaben, der sich in einiger Entfernung vom Flusse eine kleine Grube gemacht hatte und in einem Löffel das Wasser des Flusses zu dieser Grube trug, das aber dort sofort im Sande versank. Da ergab sich ein Gespräch zwischen Alanus und diesem Knaben. ›Was machst du denn da?‹ fragte Alanus. Der Knabe antwortete ihm: ›Ich habe mir vorgenommen, das ganze Wasser des Flusses in meine Grube zu schöpfen, und werde nicht aufhören, ehe ich das nicht vollbracht habe.‹ Und auf die weitere Frage des Alanus: ›Wann glaubst du denn, damit fertig zu sein?‹ war die Antwort des Knaben: ›Noch eher als du mit dem, was du dir vorgesetzt hast.‹

Da wurde sich Alanus seines Unterfangens bewusst. Er ging heim und dachte viel über die Worte des Kindes nach in leidvoller Selbsterkenntnis seines geistigen Hochmutes. Als aber am folgenden Tage die Stunde des Vortrages gekommen war und sich eine große Zuhörerschaft versammelt hatte, bestieg Alanus den Lehrstuhl und sagte nichts als die VVorte: ›Für heute möge es Euch genügen, Alanus gesehen zu haben.‹ — und verließ schamerfüllt die Stadt Paris, ging nach Burgund zu einem Kloster mit Namen Citaux und hütete daselbst die Schafe.

Deutsche Übersetzung hier aus: Alanus ab Insulis, Der Anticlaudian oder die Bücher von der himmlischen Erschaffung des Neuen Menschen, Übers. u. eingel. von Wilhelm Rath, Stuttgart: Mellinger 1966, S. 23.

Text aus einer Ausgabe 1501 in Migne, Patrologia Latina 201, Col. 15D.

Druck Köln, ca. 1490 > http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/alanus1490

Druck Köln: Quentell 1497 > https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11303210?page=6

Clemens von Burhausen O.F.M.Cap. (1639 – 1732/34) zitiert die Geschichte in einer Predigt in »Seraphisches Jäger-Horn« (postum). Zitiert in: Elfriede Moser-Rath, Predigtmärlein der Barockzeit: Exempel, Sage, Schwank und Fabel in geistlichen Quellen des oberdeutschen Raumes, Berlin: de Gruyter 1964, Nummer 257.

Die Tradition dieser (ins 12. Jh. zurückreichenden und interkulturell verbreiteten) Anekdote ist aufgearbeitet von Johannes Bolte, Die Legende von Augustinus und dem Knäblein am Meere, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 1906, S. 90–95.
> https://www.digi-hub.de/viewer/image/DE-11-001674432/104/LOG_0062/

Roland Kany, Augustins Trinitätsdenken: Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu "De trinitate" (Studien und Texte zu Antike und Christentum 22), Tübingen: Mohr Siebeck 2007, S.306ff. zitiert eine Stelle aus Petrus de Natalibus, Catalogus Sanctorum 1369/72.

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Hinweise auf Forschungsliteratur zum Thema

Erik Hornung, Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt: WBG 1971.

Artikel »Gott, Gottvater« in: Engelbert Kirschbaum / Wolfgang Braunfels u.a. (Hgg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg 1968–1976, Band 2, Sp. 165–170.

Othmar Keel, Jahwe-Visionen und Siegelkunst (SBS 84/85) Stuttgart 1977.

Margarete Stirm, Die Bilderfrage in der Reformation, Gütersloh 1977.

Karl-August Wirth, Artikel »Feuersäule (Wolkensäule, Lichtsäule)« in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte (1983) = RDK VIII (1983), 422–498.

Ingeborg Ströle, Totentanz und Obrigkeit. Illustrierte Erbauungsliteratur von Conrad Meyer im Kontext reformierter Bilderfeindlichkeit im Zürich des 17. Jahrhunderts, Frankfurt am Main [etc.]: P. Lang 1999 (Europäische Hochschulschriften Reihe 28 Kunstgeschichte, Band 343); bes. S.149–165.

Cécile Dupeux / Peter Jezler / Jean Wirth (Hgg.): Bildersturm – Wahnsinn oder Gottes Wille?, München: Wilhelm Fink 2000, (454 S., 700 Abb.)

Jörg Jochen Berns, Von Strittigkeit der Bilder: Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahrhundert, Berlin: De Gruyter, 2014–2023 (Frühe Neuzeit; Band 184) (3 Bände ).

Christoph Markschies, Gottes Körper. Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike, C.H.Beck-Verlag, München 2016 (900 Seiten).

Michaela Bauks, Bilderverbot (AT) in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15357/

Astrid Nunn, Götterbild > https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/19712/

Jürgen van Oorschot, Anthropomorphismus > https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/13433/

Website zu Bibelillustrationen von Andreas Moser und Paul Michel
> https://bilderbibeln.miraheze.org/wiki/Hauptseite

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